12. Juli 2018 3 Likes

Wir sind Bob

Eine menschliche KI startet ins All: Dennis E. Taylors Roman „Ich bin viele“

Lesezeit: 2 min.

Dennis E. Taylors „Ich bin viele“ (im Shop) beginnt mit dem Schicksal eines Einzelnen: Software-Spezialist Bob Johansson ist durch den Verkauf seiner Firma gerade zum Millionär geworden. Zur Feier des Deals besucht er eine Science-Fiction-Convention – und kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Glücklicherweise hat der Nerd einen Teil seines frischen Vermögens vorher bereits in die Kryo-Konservierung seines Kopfes investiert. Doch als Bob im Jahre 2133 erwacht, sitzt sein aufgetautes Haupt nicht auf einem frischen Körper, wie eigentlich ausgemacht. Stattdessen hat man Bobs digitalisiertes Bewusstsein in eine künstliche Intelligenz einfließen lassen, die eine Raumschiffsonde ins All steuern und dort fremde, erdähnliche Planeten erforschen soll. Die religiösen Fanatiker der technokratischen Regierung Amerikas sind intern derweil böse zerstritten und liegen überdies mit China, Eurasien, Brasilien, Australien und anderen im Clinch, wobei alle Parteien über Atomwaffen verfügen. Bob 2.0 muss also schnellstens seinen neuen Seins-Zustand akzeptieren, seine ungewohnten Einschränkungen und Freiheiten meistern und schließlich in den Weltraum abdüsen. Programmcode und futuristischer 3D-Druck helfen ihm dabei, sich selbst zu klonen, weitere Sonden zu bauen und immer weiter ins Universum vorzustoßen …

Der kanadische Programmierer und Snowboard-Enthusiast Dennis E. Taylor, der dank des Erfolgs seiner „Bobiverse“-Trilogie inzwischen allein vom Schreiben lebt, geht das topaktuelle Thema künstliche Intelligenz äußerst erfrischend an. Geklonte KI-Charakterköpfe, die auf dem Verstand eines menschlichen Softwareprogrammierers und SF-Geeks beruhen, die Raumschiffe und Drohnen steuern, sich Raumschlachten liefern, in der virtuellen Realität zusammenkommen und primitive außerirdische Völker beobachten, garantieren von Haus aus eine coole, innovative Erzählperspektive. Zumal Taylor voll auf die Hard-Science-Fiction setzt, seine Story also mit ordentlich Fakten aus dem technologischen und dem astronomischen Bereich ausstattet. Der guten, alten Erde verpasst er dagegen eine zynische dystopische Behandlung, die sozusagen den Hintergrund zu Bobs Aufbruch in die unendlichen Weiten liefert. Garniert wird das ungewöhnliche SF-Abenteuer zwischen den Sternen des 22. Jahrhunderts indes mit Referenzen zu „Star Trek und Co., da Bobs kultureller Bezugspunkt natürlich stets unsere Zeit bleibt.

Taylors Serienauftakt gewinnt einen nicht immer mit seinem Spannungsbogen, aber dafür umso mehr mit seiner Prämisse, seinen Perspektiven und seinen abwechslungsreichen Kapiteln. Immerhin hat man heutzutage viel zu selten das Gefühl, von einem SF-Werk mit einfachen Mitteln überrascht zu werden, schon gar nicht zwischen den traditionsreichen Genres von Cyberpunk, First Contact und Space Opera. Darüber hinaus strahlt Taylors Roman jederzeit eine gewinnende Leichtigkeit aus, die als Gegenpol zu der ganzen Hard-Science-Fiction dient und an genau den richtigen Stellen der Unterhaltsamkeit zu gute kommt. Und obwohl sich „Ich bin viele“ um etwas völlig anderes dreht, fühlt man sich von der Geisteshaltung und dem Tonfall her beim Lesen manchmal ein wenig an Andy Weirs Welterfolg „Der Marsianer“ (im Shop) erinnert, der ähnlich launig an die Hard-SF heranging.

Im Dezember erscheint mit „Wir sind Götter“ der zweite Band aus dem Bobiverse auf Deutsch.

Dennis E. Taylor: Ich bin viele • Heyne, München 2018 • 461

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