11. Oktober 2020

„Yellowstone“: Ein Comic von Spreckels & Scheffel-Runte

Über eine seismische Verschwörung in den zerrissenen USA im Jahr 2042

Lesezeit: 3 min.

In Terry Pratchetts und Stephen Baxters „Die lange Erde“-Romanserie (im Shop) flüchten die Menschen nach dem verhängnisvollen Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans in eine Reihe von Parallelwelten, und auch in Dennis E. Taylors Roman „Outland – Der geheime Planet“ (im Shop) begibt man sich nach der folgenschweren Eruption in eine Alternativwelt. Im Comic „Yellowstone“ gehen Autor Philipp Spreckels und Zeichner David Sidney Tula Scheffel-Runte alias Herr Scheffel einen anderen Weg. Zum Auftakt ihrer Panel-Geschichte evakuiert die US-Regierung wegen des Yellowstone-Vorfalls 2032 alle Menschen aus dem Mittleren Westen an die Küsten im Osten und Westen. Das weitgehend unbewohnte, gut gesicherte Herzland wird fortan von Konzernen mit Drohnen bewirtschaftet, außerdem kommt es in anderen Städten zu weiteren Ausbrüchen und Beben.

Zehn Jahre später sind die Fronten verhärtet, ist die amerikanische Nation gespalten: Die Firmen und die Regierung tun alles dafür, damit die Menschen nicht in ihre Heimat – die Zone – zurückkehren können. Gefechte zwischen Militär, Polizei, Geheimdienst und Widerstand stehen an der Tagesordnung; fliegende Truppentransporter sowie Waldtier-Kameradrohnen gehören zum Arsenal dieses Bürgerkrieges um Heimat, Kosten und Profit. Noah, ein zynisch gewordener, abgebrannter Veteran der Nationalgarde, kommt durch Zufall in den Besitz eines Datenträgers mit brisanten Geheimnissen zum Konflikt. Doch die Daten, die er gern verscherbeln würde, machen ihn und seine beste Freundin Lenny just vor den wichtigen nächsten Präsidentschaftswahlen, in denen sich das Schicksal der Zone entscheiden wird, zur Zielscheibe. Auf der unausweichlichen Flucht gen Norden werden Noah und dem Leser nach und nach das wahre Ausmaß der Verschwörung hinter allem klar …

Spreckels und Scheffel-Runtes „Yellowstone“ punktet von Anfang an mit einem überzeugenden amerikanisch-futuristischen Setting. Die Idee ihrer in vielerlei Hinsicht erschütterten und veränderten USA der Zukunft wird gut und konsequent umgesetzt – da werden aus konzeptioneller Sicht fast Erinnerungen an den Vertigo-Klassiker „DMZ“ von Brian Wood und Riccardo Burchielli wach. Optisch bewegt sich „Yellowstone“, das zwischen den Kapiteln mit einigem Kartenmaterial aufwartet, allerdings in ganz anderem Fahrwasser. Die Zeichnungen von Herrn Scheffel lassen einen eher an Steve Rolston und Philip Bond denken, die klare Linienführung und die kontrastreiche, flächige Farbgestaltung womöglich gar an David Aja, Ramon K. Perez, Chris Samnee oder David Mazzucchelli. Schwer, den Finger draufzulegen. Denn das ist vor allem sehr individuell und so oder so ein ganz starker, cooler Look, der die Story jederzeit souverän visualisiert. Spreckels und Scheffel-Runte arbeiteten gut vier Jahre lang an ihrem ebenso bunten wie düsteren Comic-Roman über die amerikanische Zukunft, den sie bereits vor der plakativen Präsenz von Trump und der Flüchtlingskrise begannen – die viele Arbeit hat sich definitiv gelohnt.

Ein starker Ausbruch an Qualität für einen Science-Fiction-Comic aus Deutschland, der in der Zukunft der USA einsetzt. „Yellowstone“ hätte es nicht nur verdient, möglichst viele deutschsprachige Leser zu erreichen, sondern auch, von Zwerchfell aus nach Übersee auszuwandern, um dort etwa bei Drawn & Quarterly oder Oni Press einer internationalen, englischsprachigen und vor allem natürlich nordamerikanischem Leserschaft zugänglich gemacht zu werden.

Philipp Spreckels & David Sidney Tula Scheffel-Runte: Yellowstone • Zwerchfell, Stuttgart 2020 • 144 Seiten • Hardcover: 18 Euro

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.