20. Juli 2017 1 Likes

Agent provocateur

Luc Besson macht, was er will: „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“

Lesezeit: 4 min.

Wenn man dem französischen Tausendsassa Luc Besson etwas nicht vorwerfen kann, dann falsche Bescheidenheit und Kleinkrämertum. 180 Millionen US-Dollar soll sein neues Projekt gekostet haben, was diesen Film zur teuersten europäischen Kinoproduktion aller Zeiten macht. Keine kleinen Brötchen also, die hier gebacken wurden, und das ist angesichts der langjährigen Begeisterung des Regisseurs für die literarische Vorlage auch kein Wunder. Bereits als Kind verfiel Besson der Comic-Serie Valérian et Laureline von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin, die im Kontext des franko-belgischen SF-Comics eine besondere Stellung innehat. Nicht nur ist sie mit bisher 23 offiziellen Bänden, die seit 1967 entstanden, eine der langlebigsten, sondern auch eine der einflussreichsten Genre-Reihen überhaupt.

Ikonische Leinwand-Klassiker wie Star Wars oder Blade Runner sind durchsetzt mit mal mehr, mal weniger offensichtlichen Anleihen an die Abenteuer der beiden titelgebenden Raum-Zeit-Agenten, die im 28. Jahrhundert während ihrer intergalaktischen Abenteuer wiederholt diverse Universen retten. Auch Besson selbst bediente sich schon einmal ausgiebig des Motivkanons, als er 1997 mit Das Fünfte Element SF-Geschichte schrieb – Valerian-Mitschöpfer Mézières gehörte neben Jean Giraud / Moebius gar zum Produktionsteam. Zwanzig Jahre später widmet er sich nun erstmals ganz explizit der Verfilmung des Stoffes und bringt mit Valerian – Die Stadt der tausend Planeten sein großes Herzensprojekt in die Kinos.

Ein SF-Spektakel, das die Meinungen teilen, die Gemüter erhitzen und die Geek-Community spalten dürfte. Denn auch wenn das Ganze an der Oberfläche (sprich: auf der Trailer-Ebene) zunächst wie der übliche „bildgewaltige Blockbuster mit rasanter Action und attraktiven Jungdarstellern“ (Zitat fiktive Pressemappe) erscheint, ist man dann nach zwei Stunden und 17 Minuten eines besseren belehrt angesichts dieser funkelnd-faszinierenden Mischung aus grenzenloser Ambition und nicht minder auslandendem Ressourcenreichtum. Besson präsentiert seine Geschichte von Valerian und Laureline und ihrem eurozentrischen Kolonial-Abenteuer ohne Rücksicht auf Verluste. Zurückhaltung ist seine Sache nicht, was das exorbitante Budget hergibt, wird auch gemacht. Das Produktionsdesign taucht ganz tief ein in frankobelgische Megacity-Fantasien zwischen Incal und Métal hurlant, die kunterbunten Alien-Exoten geben sich im Sekundentakt die Klinke in die Hand, Kostüme und Accessoires stehen Jean-Paul Gaultiers Designs für Das fünfte Element in nichts nach. Den zu Tode gemainstreamten Massenprodukten des internationalen Marktes setzt diese Megaproduktion jede Menge Individualismus entgegen, und es macht einen Heidenspaß, die ikonischen Auswüchse der europäischen Genre-Fantasie mit entsprechend ausladenden Mitteln inszeniert zu sehen. Das mag für amerikanische Augen befremdlich wirken (The Hollywood Reporter konstatierte: „Euro-trash is back“), ist aber lediglich ernstgenommene Umsetzung hiesiger SF-Tradition. Großartig.

Was Besson dann ganz und gar nicht ernst nimmt – auch das eine Spezialität dieses außergewöhnlichen Regisseurs – ist der Tonfall seiner vermeintlichen Space Opera. Hier wird nach Herzenslust brutalster Slapstick mit schlechten Witzen kombiniert, es dominiert Warner-Brothers-Cartoonhaftigkeit statt heiligem Christopher-Nolan-Ernst. Das ist nicht wirklich lustig, aber auf besonders individuelle Weise komisch. Anders als die schrecklichen Comedy-Versuche des Zynikers Michael Bay ist der Humor des Humanisten Besson immer irgendwie süß und unschuldig. Und selbst wenn Held Valerian durch diverse Ebenen einer fremdartigen Architektur bricht, hat das immer eine gewisse Leichtigkeit und macht Spaß. Nicht ein einziger Pixel der zahlreichen fantasievollen CGI-Welten erhebt einen Anspruch auf Realismus, und während woanders Exzesse des vermeintlich Naturalistischen in die Multiplex-Sitze gehämmert werden, fließt hier alles wunderbar neon-pastellig vor sich hin. Kunst kommt eben von Können.

Die vielfach kritisierte Tatsache, dass die beiden Hauptdarsteller Dane DeHaan und Cara Delevigne ihren Comicvorbildern nicht im entferntesten ähneln, passt nur ins Bild dieses Hybridgebildes aus Quellentreue und eigener Handschrift – denn auch das Casting spiegelt durch die Bank die idiosynkratische und zutiefst eklektische Herangehensweise des Regisseurs wider (in Nebenrollen sind Herbie Hancock, Rihanna und Tatort-Kommissar Stefan Konarske zu sehen – interessante Rasselbande). Besson macht offensichtlich, was er will, und diese konsequente Autorschaft ist neben allen Schauwerten der eigentliche Star von Valerian. Dass das Drehbuch ziemliche Längen bereithält, sich der Plot stellenweise in wirren Unverständlichkeiten verheddert, ein überzeugender Bösewicht fehlt und am Ende die ganze Chose recht unbeholfen in einem schier endlosen Poirot-Moment aufgelöst wird – geschenkt. Mit Valerian – Die Stadt der tausend Planeten hat Luc Besson den ultimativen Anti-Blockbuster mit den Mitteln des Blockbuster-Kinos geschaffen und gleich in einem Aufwasch dem europäischen Science-Fiction-Comic eine filmische Referenz erwiesen, die in dieser Form längst überfällig war. Chapeau, Monsieur.

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten ist seit dem 20. Juli bei uns im Kino zu sehen.

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten • Frankreich 2017 • Regie: Luc Besson • Darsteller: Dane DeHaan, Cara Delevigne, Clive Owen, Ethan Hawke, Rihanna, Stefan Konarske

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