Clark Kents kleiner böser Bruder
„Brightburn“: Kein Bock auf Superhelden? Da werden Sie geholfen!
Das „Brightburn“ trotz des dank „Guardians of the Galaxy“ mittlerweile überaus prominenten Produzenten James Gunn (dessen Namen so sehr in den Vordergrund geschoben wurde, dass bis heute wohl nur die Buchhaltung von Sony weiß, dass der Regisseur eigentlich David Yarovesky heißt) und einem schlanken Budget von gerade mal sieben Millionen Dollar an den Kinokassen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, überrascht nicht wirklich.
Die größte Provokation der finsteren Dekonstruktion des klassischen Superhelden-Motivs dürfte nicht der Umstand sein, dass die aseptische Comic-Welt der Marvel- und DC-Produktionen mit ein paar wenigen, aber ausgesucht matschigen Splatterszenen konterkariert wird, sondern dass sich der Film inhaltlich im Grunde nicht sonderlich von den Vorbildern der genannten Studios unterscheidet, allerdings trotzdem nur das leider selten gewordene, herrlich kompakte 90-Minuten-Format benötigt. Und das ist in Zeiten in denen in dreistündigen Dauerlaberhängern wie „Avengers: Endgame“ auch die klitzekleinste Gefühlregung und noch der allerdümmste Gag durchdekliniert wird, beziehungsweise Zuschauer laut Auskünften von Brancheninsidern offenbar einen gewisse value (in diesem Fall mit Laufzeit und leider nicht mit Inhalt gleichzusetzen) for money erwarten, um sich von der Couch runter und ins Lichtspielhaus zu begeben, natürlich frech und kommerziell gesehen todesmutig.

Das Drehbuch von Brian und Mark Gunn (jupp, der eine ist der Bruder, der andere der Cousin) basiert auf einer invertierten Variante der „Superman“-Prämisse: Kind kommt in einem Raumschiff vom Himmel gepurzelt, natürlich direkt auf die Farm des Ehepaars Breyer, das gerne ein Kind will, aber keins kriegen kann. Ehepaar nun glücklich, Kind kriegt den Namen Brandon und verhält sich vorerst wie ein solcher. Doch – oh weh – die Pubertät naht, Pickel und sprießende Sackhaare werden aber unterschlagen, stattdessen wird eine Pubertätsmetapher der etwas anderen Art serviert: Der Knabe entdeckt an seinem 12. Geburtstag Superkräfte, fängt an sich ganz schön bockig aufzuführen und als dann auch noch das Raumschiff bordellrot leuchtet und eine seltsame Stimme dem Widerborstigen die Weltherrschaft ans Herz legt, ist der Ofen endgültig aus – den Eltern stehen harte Zeiten bevor …

„Brightburn“ ist eine klassische Origin-Story, wie man sie strukturell so oder so ähnlich von „Super“-, „Iron-„ „Spider-„ und weiteren Männern schon x-fach erlebt hat, allerdings mit maximaler narrativer Ökonomie umgesetzt: Es gibt keinerlei Background; woher das Raumschiff kommt, was der eigentliche Plan ist? Nada. Man erfährt von den Figuren genauso viel, wie gerade nötig ist, um die Handlung voranzutreiben – die High-Concept-Idee wird stets fest im Blick behalten und mit stellenweise sardonischem Humor ausgekostet: In einer der schönsten Szenen kriegt die Bedienung eines Diners kurz vor einem Angriff dank platzender Neonröhren einen dicken Glassplitter ins Auge, den sie sich wieder herauszieht, was von der Kamera mit magenumdrehender Begeisterung eingefangen wird. Als der böse Superknabe dann endlich zur Tat schreitet, gibt es einen Umschnitt auf eine Portion Haferschleim, der in eine Schüssel plumpst und von Brandon am nächsten Morgen verspeist wird. Wer über so was zumindest schmunzeln kann, dürfte sich hier pudelwohl fühlen.
Es ist schade, dass auch dieser zuweilen recht spannende, vor allem aber verhältnismäßig rüpelige Film, der ein bisschen rüberkommt wie die moderne Sci-Fi-Version eines 80-Jahre-Oldschool-Slashers, mit dem gleichen Manko zu kämpfen hat, mit dem Origin-Stories so oft kämpfen: Das Ganze ist letztendlich nicht mehr als ein Set-Up für kommende Teile – kaum hat man das Gefühl, dass die Weichen gestellt sind, es jetzt so richtig los geht (das Ende gibt einen kleinen, apokalyptischen Vorgeschmack, was passiert, wenn Breyer Junior maximal aufdreht), rollt auch schon der Abspann und sorgt für einen trotz aller Vorzüge unbefriedigenden Nachgeschmack.
Dennoch: Als kleiner, böser Knüppel zwischen den Beinen der Großen geht „Brightburn“ voll und ganz okay und wenn’s gegen die Großen geht, sind wir doch alle gerne dabei!
P.S.: Wer zuvor – falls nicht ohnehin schon längst geschehen – Gunns „Super – Shut Up Crime!“ von 2010 guckt, hat ein klitzekleines bisschen mehr Spaß!
„Brightburn“ ist ab dem 20.06.2019 im Kino zu sehen!
Brightburn (USA 2019) • Regie: David Yarovsky • Darsteller: Elizabeth Banks, David Denman, Jackson A. Dunn, Abraham Clinkscales, Christian Finlayson, Jennifer Holland
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