5. Mai 2022

„Dr. Strange in the Multiverse of Madness“ – Zuviel des Guten

Sam Raimi inszeniert einen ausgesprochen wirren Marvel-Film

Lesezeit: 3 min.

Gut zwei Drittel sind im neuen Marvel-Film „Dr. Strange in the Multiverse of Madness“ vorbei, da haut Regisseur Sam Raimi die vielleicht originellste Szene des Films raus: Nicht ein, sondern gleich zwei Versionen von Dr. Strange (beide Male Benedict Cumberbatch) liefern sich einen Kampf mit Noten. Musiknoten: Von Notenblättern heben sich die Noten in die Luft, werden auf das Gegenüber geschossen, klingen im Flug und werden von Notenlinien abgeblockt. Ein toller visueller Moment, der an die Absurdität alter Disney-Cartoons erinnert – und ebenso völlig aus dem Nichts kommt, wie ohne Resonanz zu verklingen.

Immer wieder gelingen Raimi, der vor Jahrzehnten durch seine „Tanz der Teufel“-Filme berühmt wurde, zuletzt aber vor nun mehr fast zehn Jahren den ziemlich katastrophalen CGI-Overkill „Die fantastische Welt von OZ“ gedreht hatte, solche Momente, durchweht anarchischer Geist das Marvel-Universum – um dann postwendend wieder von den Notwendigkeiten des Franchise-Building eingeholt zu werden.

Seit einigen Filmen und Serien arbeitet Marvel nun schon am großen Einstieg in das Multiversum und so langsam mag man sich fragen, ob das nicht ein Irrweg ist. Schon der letztjährige „Spider Man: No Way Home“ lebte fast nur von Nostalgie und nutzte die theoretischen Möglichkeiten eines Multiversums zu nicht mehr als einem Spider-Man-Klassentreffen. Damals assistiert von Dr. Strange, der nun selbst durch die Multiversen rast, auf Versionen seiner selbst trifft, vor allem aber versucht, America Chavez (Xochiti Gomez) zu retten. Denn die Teenagerin besitzt die Fähigkeit, beliebig durch die Multiversen zu springen, auch wenn sie diese Gabe noch nicht kontrollieren kann.

Diese Gabe ruft wiederum Wanda Maximoff (Elisabeth Olsen) auf den Plan, die bekanntermaßen – falls man die TV-Serie „Wandavision“ gesehen hat – inzwischen von der guten zur bösen Seite gewechselt und zur Scarlett Witch geworden ist. Und die hat nur ein Ziel: Mutter zu sein, was zugegebenermaßen mal eine Abwechslung zu all den Bösewichtern darstellt, die die Welt oder gleich das Universum zerstören wollen.

Mittels Americas Fähigkeit glaubt Scarlett Witch, sich mit einer Wanda-Version verschmelzen zu können, deren Kinder noch leben, was allerdings die Ordnung der Multiversen aus dem Gleichgewicht bringen würde, was natürlich unschön wäre. Warum ist allerdings nicht recht klar, denn seltsamerweise muten die angedeuteten Universen alle recht ähnlich an, in allen taucht Dr. Strange etwa neben seiner großen Liebe Christine (Rachel MacAdams) auf, mit nur geringfügiger Abweichung.

Sehr wenig machen Raimi und sein Drehbuchautor Michael Waldron aus den Möglichkeiten, am originelsten noch der Einfall ein Avengers ähnliches Team Illuminati zu nennen, das in einem der Multiversen existiert. Die Mitglieder sind unter anderem ein weiblicher Captain America und zwei sehr bekannte Figuren aus anderen Marvel-Filmreihen.

Doch weitestgehend läuft dieser Marvel-Film nach Schema F ab, von den visuell überbordenden Welten, die den ersten Teil der Strange-Saga zu einem der besten Marvel-Filme machte, ist kaum noch etwas zu spüren. Routiniert spult Raimi das Programm ab, die Action ist typische Marvel-Action, ein bisschen Ironie hier, ein paar Familienwerte da, Post-Credit-Sequenzen bereiten die nächsten Filme vor, aber wie lange soll und kann das weitergehen?

Die nächsten Marvel-Filme sind schon abgedreht oder in Planung, auch DC arbeitet an der Ausdehnung seines Universums, aber zumindest in manchen Ecken des Internets macht sich langsam Ermüdung breit. Gibt es Hollywood-Blockbuster jenseits des Superheldenkinos? Können Filme, vor allem auch große, teure Filme, die ungewöhnlich und eigenständig sind überleben? Man kann nur hoffen, dass Hollywood es bald wieder riskiert – und dann das Publikum mitmacht.

Dr. Strange in the Multiverse of Madness • USA 2022 • Regie: Sam Raimi • Darsteller: Benedict Cumberbatch, Xochiti Gomez, Elisabeth Olsen, Rachel MacAdams • Kinostart: 5. Mai

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