12. Dezember 2019 2 Likes

Frauen mit Mission

„Darlin‘“ von Pollyanna McIntosh

Lesezeit: 2 min.

Mit „Darlin‘“ schließt Pollyanna McIntosh eine bemerkenswerte Trilogie von Filmen nach Romanen bzw. Motiven des Horror-Autors Jack Ketchum ab. Der hatte 1979 mit „Off Season“ (dt. „Beutezeit“) sein Romandebüt vorgelegt, eine heftigen Geschichte, in der eine Gruppe Freunde im Hinterland von Maine, USA, auf eine verwilderte Menschengruppe trifft, die zu Kannibalen geworden ist. Ketchum setzte das kontroverse Buch 1991 mit „Off Spring“ (dt. „Beutegier“) fort und schickte 2010 noch „The Woman“ (mit Lucky McKee als Co-Autor; dt. „Beuterausch“) hinterher.

Andrew van den Houten verfilmte 2009 „Offspring“ mit wenig Geld und einem großen Touch Exploitation-Charme. Darin spielte Pollyanna McIntosh eine der Kannibalinnen, eine Rolle, die sie 2011 in Lucky McKees Meisterwerk „The Woman“ wieder aufnahm. Hier wurde die Kannibalin von einem Farmer gefangen und eingesperrt, was der entzivilisierten Frau so gar nicht schmeckte. McKee inszenierte das wuchtig und mit fast präapokalyptischen Anflügen, wie ein Schlag in die Magengrube.

Nun hat also McIntosh selbst das Ruder in die Hand genommen, was ziemlich gut passt zu dieser Story, die Gender-Themen mal gänzlich undiffizil angeht. Ketchum starb 2018 und hatte hier als Executive Producer nur noch bedingt seine Finger im Spiel, und McIntosh zieht total ihr eigenes Ding durch. Die Schauspielerin, die Genre-Fans wohl vor allem durch eine Langzeitnebenrolle in „The Walking Dead“ vertraut sein dürfte, entfernt sich meilenweit vom Vorgänger, den McKee und Ketchum gemeinsam ausgeheckt hatten. In „Darlin‘“ tritt die von McIntosh gespielte Frau in den Hintergrund zugunsten ihres jungen Schützlings Darlin‘ (Lauryn Canny), die ebenfalls von der Zivilisation aufgegriffen wird und anschließend in einem katholischen Heim landet. Mit all den Folgen, die man angesichts dieser Konstellation ahnt – Klischees inbegriffen.


The Woman auf der Suche nach Darlin‘. Capelight


Darlin auf der Suche nach Zivilisation. Capelight

Aber jenseits von dieser motivischen Verbindung haben „The Woman“ und „Darlin‘“ wenig miteinander gemein. McIntosh inszeniert weit spielerischer als McKee, viel heller, freier und offener. Manchmal hat man den Eindruck, dass eine Theaterbühne nicht der falsche Ort für diese Story wäre, die in einigen Momenten maßlos übertreibt, in anderen aber auch erstaunliche Zurückhaltung übt. Es wird sehr viel angerissen, mehr als der Sache gut tut, aber man kann nicht umhin, den Ehrgeiz, die schiere Ambition von McIntosh zu mögen. Den Schritt zur Satire, der wirklich nur ein ganz kleiner gewesen wäre, traut sie sich nicht zu, was schade ist. Denn so schießt einem machmal „Das kann sie doch nicht ernst meinen“ durch den Kopf, was „Darlin‘“ eine gewisse Ambivalenz verleiht, die möglicherweise gar nicht beabsichtigt war.

Unterm Strich lohnen sich die 100 Minuten, aber man sollte keinen Kannibalen-Splatter o.ä. erwarten. Denn in der Hinsicht liefert McIntosh eher wenig. „Darlin‘“ ist in Richtung Arthouse unterwegs, schafft aber nicht die ganze Strecke. Doch der Film ist in der Anlage grundsympathisch, was ja auch nicht eben wenig ist.

„Darlin‘“ ist bei Capelight als DVD, Blu-Ray, 4K Ultra HD und VOD erschienen.

Darlin‘ (USA 2018) • Regie • Pollyanna McIntosh • Darsteller: Lauryn Canny, Bryan Batt, Pollyanna McIntosh, Cooper Andrews, Nora-Jane Noone

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