18. August 2020

„Project Power“ - Die fünf Minuten Wunderpille

Jamie Foxx in einem erstaunlich klugen Superheldenfilm

Lesezeit: 3 min.

Würde man es wagen? Eine Pille zu schlucken, die für fünf Minuten Superkräfte erzeugt, was von übernatürlicher Kraft, über Unverwundbarkeit bis zu Unsichtbarkeit alles bedeuten kann. Der Haken an der Sache ist aber nun, dass der Effekt auch ausgesprochen negativ sein kann, je nachdem was der Proband an inneren Werten, bzw. Abgründen mitbringt. Im extremen Fall kann man da auch einfach explodieren.

Ein gewisses Risiko also, wie das bei Drogen eben so ist. Was die Bevölkerung von New Orleans jedoch nicht davon abhält, die neue Wunderpille zu testen, die ein finsterer Mann mit offensichtlich finsteren Abgründen auf den Markt wirft, nicht um viel Geld zu verdienen, sondern als Testlauf für größere Pläne. Und an wem wird getestet: vor allem an Armen und Schwarzen.

Spätestens hier fängt „Project Power“, ein Netflix-Film des Regie-Duos Henry Joost & Ariel Schulman (Nerve, Viral) an, ungewöhnlich und interessant zu werden. In den ersten Minuten hatte man angesichts des Schauplatzes New Orleans, mit Graffiti besprühter Sozialbauten, dazu Hip-Hop-Klänge und einer betont diverse Besetzung noch befürchtet, dass auch hier kaum mehr als die momentan wichtigsten Kästchen abgehakt werden.

Zumal eine der drei Hauptfiguren die junge Afroamerikanerin Robin (Dominique Fishback) ist, die mit ihrer Mutter in den Projects lebt und Nachts die Wunderdroge vertickt, um Geld zu verdienen. Unter anderem verkauft sie auch an den Polizisten Frank (Joseph-Gordon Lewis), der eher aus Verzweiflung bei der Jagd auf Verbrecher eine Pille einwirft, damit er zumindest für fünf Minuten mithalten kann, um seine Heimatstadt zu retten. Das Trio wird vervollständigt durch Art (Jamie Foxx), der auf der Suche nach seiner Tochter ist. Wie sich bald herausstellt ist Art ehemaliger Soldat, an dem die Regierung Experimente durchgeführt hat. Diese Fähigkeiten hat Art an seine Tochter Tracy vererbt, die von der Drogenmafia entführt wurde und als Zellfabrik missbraucht wird.

Wer sich ein bisschen mit der afroamerikanischen Geschichte auskennt, wird hier nun zum einen an das Tuskegee-Syphilis-Studie denken, ein Experiment, bei dem zwischen 1932 und 1972 arme schwarze Landarbeiter ohne deren Wissen oder gar Zustimmung mit Syphilis infiziert wurden. Zum anderen an den Fall der Henrietta Lacks, ebenfalls eine Schwarze, die 1951 an Krebs starb. Vor ihrem Tod entnahmen Ärzte ihr ohne Einwilligung Zellkulturen, die sich als unsterbliche Zellen erwiesen. Seitdem wurden tausende Experimente mit Hilfe dieser sogenannten HeLa-Zellen durchgeführt, bei der Bekämpfung von Polio spielten sie eine Rolle, bei der Erforschung von AIDS und Krebs.

Erst in den 70er Jahren kamen beide Fälle ans Licht der Öffentlichkeit, wurde das fragwürdige ethische Vorgehen der Ärzte bekannt – und trug zusätzlich zum Misstrauen der schwarzen Bevölkerung gegen das Gesundheitssystem und andere öffentliche Stellen bei, ein Misstrauen, dass gerade in der aktuellen Corona-Pandemie zusätzliche Nachteile bringt.

Vielleicht meinte Jamie Foxx diese Themen, diese unterschwellig sozialkritische Note, als er sagte, dass „Project Power“ weniger über Action, als über die Charaktere funktioniert, so wie „Star Wars.“ Dort seien die Laserschwertkämpfe zwar hübsch anzusehen, aber eigentlich sei man vor allem am Miteinander von Luke, Leia, Han und den anderen interessiert. Zugegebenermaßen ein etwas hochgegriffener Vergleich, den „Project Power“ (natürlich) nicht einlösen kann. Dennoch ist dem Duo Joost & Schulman ein ansprechender Film gelungen, der sich dafür entscheidet, sein Konzept nicht ausschließlich für spektakuläre Schauwerte zu nutzen, sondern als Basis für eine unterschwellig sozialkritische Geschichte. Nicht die teils sehr hübschen Effekte der Fünf-Minuten-Pille stehen im Vordergrund, sondern drei Menschen, die mit den Kräften, die sie ohnehin in sich tragen, für ihre Familie, bzw. ihre Stadt kämpfen. Hört sich zwar kitschig an, funktioniert aber gut.

Project Power (USA 2020) • Regie: Henry Joost & Ariel Schulman • Darsteller: Jamie Foxx, Joseph-Gordon Lewis, Dominique Fishback • Ab jetzt bei Netflix

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