1. Dezember 2019 3 Likes

The Force is strong with you

„Star Wars Jedi: Fallen Order“ wird den hohen (Fan-)Erwartungen gerecht

Lesezeit: 7 min.

Endlich, möchte man gleich zu Beginn dieses Reviews ausrufen. Hatte sich das Star Wars-Franchise trotz seiner zwar umstrittenen jüngsten Filmableger als dennoch weiterhin höchst profitables Blockbuster-Imperium erhalten, erwiesen sich gleich mehrere Game-Projekte als Flops. So wurden geplante Titel wie Star Wars: 1313 selbst nach langer Entwicklungszeit plötzlich eingestampft und auch realisierte Ableger wie Battlefront 2 konnten gerade Single-Player alles andere als überzeugen (hier unser damaliger Test). Doch als hätte Publisher EA aus den vergangenen Debakeln um Mikrotransaktionen und vergurkte Story-Kampagnen etwas gelernt, präsentiert sich das seit Mitte November für PS4, Xbox One und PC erhältliche Jedi: Fallen Order (wir berichteten mehrfach) in der Tat endlich als das Spiel, auf das Fans nicht nur der Filme lange warten mussten.

Dem Action-Adventure mit Metroidvania-Ansatz aus dem Hause Respawn Entertainment (u.a. bekannt für den gelungenen Mech-Shooter Titanfall) gelingt es nämlich, auch frühere Star Wars-Vergleichstitel wie das längst ergrauten The Force Unleashed in den Schatten zu stellen und ein bombastisches, stimmig inszeniertes Erlebnis zu kredenzen, welches sich ohne überflüssiges Multiplayer-Gedöns oder pseudoinnovative Mechaniken ganz darauf konzentriert, einfach „nur“ das beste Jedi-Abenteuer seit Jahren abzuliefern (große Klassiker wie das jüngst aufgelegte Remaster zu Jedi Knight II mal ausgenommen). Eine Erdung, die der Saga richtig guttut und bis auf kleinere Abstriche vollends aufgeht.

Im rein auf eine Story-Kampagne ausgelegten und streng linear erzählten Jedi: Fallen Order übernehmen wir die Rolle des ehemaligen Padawanschülers Cal Kestis einige Jahre nach den schicksalhaften Ereignissen von Episode 3. Cal erlebte die Auswirkungen der Auslöschung der Jedi durch die Direktive 66 unmittelbar mit und versteckt sich seither als Schrottsammler auf dem Planeten Bracca. Das Imperium hat seine Grenzen längst ohne echte Bedrohung der eigenen Macht ausgebaut, lauert aber immer noch allem auf, was nur irgendwie nach Jedi aussieht. Spezielle Inquisitoren, die sogenannten Schwestern, machen bedingungslose Jagd auf jeden möglichen Überlebenden.

So dauert es nicht lange, bis sich Cal aufgrund eines Einsatzes der Macht zur Rettung eines Freundes verrät und vor den imperialen Truppen unter der Führung der Zweiten Schwester fliehen muss. Unerwartet unterstützt vom Piloten Greez und seiner Partnerin Cere, die einst ebenfalls der Macht gewogen war, versuchen die drei fortan mithilfe des Raumschiffs Mantis über die gut 15-20 Spielstunden den Orden der Jedi zu reanimieren. Dazu müssen sie mehrere Planeten auf der Suche nach geheimnisvollen Artefakten erkunden und sich zahlreichen Gefahren stellen. Cal, der über die gesamte Kampagne ohne echte Sidekicks in den Schlachten gegen imperiale Soldaten und allerlei Getier zu bestehen hat, wird in den üppigen, halb offenen Arealen nur vom Droiden BD-1 begleitet. Dessen Einfluss fällt mit zunehmendem Fortschritt immer hilfreicher aus, da der kleine, natürlich wie alle Kleindroiden der Saga sehr niedlich piepende BD-1 Hilfestellung zu Rätseln gibt, als Seilrutsche fungiert oder mehr oder minder wichtige Infos mittels Umgebungsscann offenbart.

Auch Cal entwickelt sich dank eines zwar relativ kleinen, aber auf das Wesentliche reduzierten Skilltrees weiter und kann sein Fähigkeitenrepertoire anwachsen lassen. Im Gefecht setzt der junge Jedi auf einen Mix aus klassischen Machtfähigkeiten wie Schub, Heranziehen oder Schwertschwung, wobei wir bei der Primärwaffe ausschließlich mit dem Lichtschwert vorgehen. Schusswaffen oder für einen Nachwuchsjedi regelrecht ausgefallene Techniken bleiben somit außen vor. Nicht nur in dieser Hinsicht ordnet sich Jedi: Fallen Order eher in die Tradition der ersten und gleichzeitig der jüngeren Filme wie Rogue One ein, denn es geht weniger farbenfroh und kampftechnisch rustikaler zu. Das unterstreicht zusätzlich das sehr fordernde Kampfsystem mit Blocken, Parieren und Ausweichen, welches von uns einfordert, Gegnerarten in ihrem Verhalten individuell auszukucken und nicht nur auf die Schlagbuttons zu hämmern.

Das erinnert in seiner oft genug für uns tödlichen Konsequenz nicht zufällig an Titel wie Sekiro, Dark Souls oder The Surge, allerdings haben die Macher hier durchaus an ein breiteres Publikum gedacht und vier jederzeit auswählbare Schwierigkeitsgrade eingebaut. Während man sich auf den oberen beiden Graden ohne perfektes Timing gnadenlos die Finger verbrennt, dürften selbst Durchschnittszocker auf dem niedrigsten das Abenteuer mit etwas Übung abschließen. Soviel Freiheit in der persönlichen Gestaltung des Schwierigkeitsniveaus ist ähnlich vorbildlich wie die Umsetzung des trotz aller Härten gut erlernbaren Kampfsystems.

Die Gegnervielfalt passt sich daran an. Packende Lichtschwertduelle gegen so manche Schwester hat Jedi: Fallen Order als Bosskampf ebenso in Petto wie riesige Fledermäuse oder die allseits bekannten AT-ST-Walker. Aber auch die normalen Gefechte gegen Soldaten, Spinnen oder untote Hexen haben es in sich und bleiben bis zum Finale spannend. Richtig frustrierend wird es auch aufgrund der gut gesetzten Rücksetzpunkte nur selten. Einen besonderen Kniff hat sich Respawn für die zahlreich verstreuten Speicherpunkte überlegt: Dort haben wir nicht nur die Wahl, erkämpfte Erfahrungspunkte einzutauschen, sondern dazu unsere Energie wieder aufzufüllen. Entscheiden wir uns dafür, kehren allerdings alle zuvor erledigten Gegner im Gebiet zurück. Gut zum aufleveln, aber natürlich gegebenenfalls riskant, da uns ungespeicherte Erfahrungspunkte bei Ableben erstmal flöten gehen, ehe wir sie uns beim erneuten Treffen mit dem zuvor übermächtigen Gegner zurückholen können. Wir haben stets die Wahl.

Das Leveldesign weiß absolut zu gefallen. Insgesamt stehen uns nach dem Einstiegslevel mehrere erkundbare Planeten wie die Dschungelheimat der Wookies, das postapokalyptische Dathomir oder das eisige Ilum zur Auswahl. Wie für ein Spiel mit Metroidvania-Elementen üblich, verzweigen sich die Gebiete stark und geben so manches Geheimnis erst mithilfe einer freigeschalteten Fähigkeit wie einem Doppelsprung preis. Das bedeutet, dass es sich in Jedi: Fallen Order lohnt, sich abseits des per Karte angezeigten Weges genauer nach versteckten Items umzusehen und die Planeten mehrfach über die jederzeit im Raumschiff des Rebellentrios zur Verfügung stehende Auswahl zu bereisen.

Einen Haken hat die Suche nach Extras leider dann doch. Sehr häufig finden wir auch nach längeren Kletterpassagen nur unnötiges Zeug wie kleine kosmetische Features für unser Lichtschwert oder Cals eher unschönen Poncho. Da wäre deutlich mehr möglich gewesen; zum Beispiel echte Kostüme oder alternative Lichtschwerter. Trotzdem macht das Erkunden durchaus Laune und gibt dem Design eine zusätzliche Tiefe.

Ebenso kann, zumindest an einigen Stellen, eine weitere Eigenheit des Leveldesigns nerven. Denn die Macher haben sich sichtbar an kontemporäre Action-Adventure-Hits wie Tomb Raider oder Uncharted orientiert und sich daher u.a. einige merkwürdig aufgesetzte Passagen mit völlig irrsinnigen Wallruns-, Mehrfachsprüngen und Abhangrutschern einfallen lassen, die oft Zuviel des Guten sind. Im Gegensatz dazu fungieren die zwar nicht häufigen, aber dann gut integrierten und nachvollziehbaren Rätsel als echtes Plus im Spielfluss. Dabei gilt es, gewaltige Mechanismen in Gräbern zu entschlüsseln oder Lichtstrahlen zum Abschmelzen von Durchgängen abzulenken. Wer in solchen Fällen gar keine Idee hat, lässt sich von den Hinweisen von BD-1 assistieren, der einem mit seiner knuffigen Sidekick-Treue einfach ans Herz wachsen muss.

Das gilt im Grunde auch für unsere Teammitglieder Greez und Cere, die sich wie das gesamte Personal dank sehr guter Sprecher (u.a. die deutsche Stimme von Angelina Jolie) in das hohe Inszenierungsniveau des gesamten Titels einfügen. Die Zweite Schwester entfaltet stilsicher ihr Antagonistinnenpotenzial und feine Details wie die sich an das jeweilige Kampfgeschehen anpassenden Kommentare der imperialen Streitkräfte, sorgen wie der typische Orchester-Soundtrack für grandioses Star Wars-Flair.

Allein unser Held Cal will da nicht ganz mithalten. Sein grobschlächtiger Heldenweg – natürlich gespickt mit Klischees wie Selbstzweifeln, Furcht, Erinnerungslücken und einem unbändigen Gerechtigkeitswillen – ist storytechnisch nur Mittel zum Zweck und bleibt komplett vorhersehbar. Immerhin sorgen Rückblenden wie zu Cals eigenen Erlebnissen bei der Auslöschung der Jedis für kleinere Identifikationsmomente und ehrlicherweise brillierte das Franchise ohnehin nur selten mit wirklich durchdachten Charakterisierungen.

Technisch macht das Ganze hingegen eine sehr ordentliche Figur. Die Planeten wie Figuren sind gerade mit ihren Witterungsdetails stimmungsvoll umgesetzt und selbst die üblicherweise in vielen Spielen eher hölzernen (Gesichts-)Animationen hat die Grafikabteilung wunderbar hinbekommen. Das macht sich gerade in den eingestreuten Cutscenes bemerkbar, in denen wir natürlich auch auf beliebte Elemente wie die typische Star Wars-Überblende nicht verzichten müssen. Bereits das Tutorial-Level lässt uns mit seinen vielen gigantischen Schiffswracks die Kinnlade dezent herunterklappen und gibt den Weg vor für viele epische Wow-Situationen, in denen man sich wirklich wie im Kino fühlt. Da sind Texturnachlader nur ein äußerst dünnes Haar in einer ansonsten bekömmlichen Suppe.

Einen gewaltigen Anteil am positiven Gesamtergebnis haben auch die vielen, für Laien nicht immer überdeutlichen Referenzen auf das ausladende Erzähluniversum der gesamten Star Wars-Reihe. Da Jedi: Fallen Order mit seinen Geschehnissen tatsächlich zum Kanon gehört, freuen sich Experten über viele Verweise auf Orte, Völker, Figuren oder Ereignisse, die mal mehr, mal weniger ausführlich ausstaffiert werden. Echte Kenner ziehen da sicher gerne ihre verschiedenen Film-, Comic- oder Seriensammlungen hervor. Eine mögliche, auch bereits angedachte Fortsetzung wäre schon deshalb sehr gern genommen.

Fazit

Top inszenierter Star Wars-Blockbuster mit tollem Flair und packendem Gamedesign, der allerdings stark bei Genrekollegen wie Uncharted oder Tomb Raider abkupfert.

Star Wars Jedi: Fallen Order • Respawn Entertainment/EA • Action-Adventure • PS4/ Xbox One/PC

Abb. © Respawn Entertainment/EA

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