16. Februar 2017 3 Likes

Trash up your life

Das subversive Anti-Adventure „Diaries of a Spaceport Janitor“

Lesezeit: 3 min.

Wenn ein Game von seinen Machern als Anti-Adventure bezeichnet wird und dann noch ein kleines Müllmännchen zum ausführenden Organ einer per se aussichtlosen Aufgabe erwählt wird, wissen nicht nur Fans ungewöhnlicher Spielkonzepte gleich, dass es sich hier um einen ungewöhnlichen Titel handeln könnte. Und was soll man sagen? Wer sich auf dieses bei genauerer Betrachtung hochgradig abstruse Kleinod einlässt, bekommt Anti-Unterhaltung vom Allerfeinsten. Aber warum eigentlich Anti? Unsere Kernaufgaben geben zur Beantwortung dieser Frage schon einige Hinweise, denn die bestehen hauptsächlich aus Müll sammeln, schlafen, essen und dann wieder Müll sammeln. Entgegen des üblichen Spiel- und Sammeltriebs, den die meisten Games in uns mit allerhand Verbesserungsmöglichkeiten unserer Fähigkeiten zu kitzeln versuchen, setzt das Pixeladventure von Sundae Month und tinybuild genau auf den gegenteiligen Effekt. Denn unser Job, einen futuristischen Planeten sauberzuhalten, erweist sich - wie in der Realität -, gerade weil es im strengsten Sinne ein Job ohne erhebendes Narrativ dahinter ist, als endloser Kampf gegen die Windmühlen. Das führt mangels motivierendem Heldentum oder erkennbarer Sinnhaftigkeit auf Dauer zu einer Art von intelligent evoziertem Frust, der aus Diaries of a Spaceport Janitor eine subversive Angelegenheit macht.

Denn unser Anti-Held findet sich in einer Welt der Klassen- und Verteilungsunterschiede wieder, in der er schon aufgrund seines Jobs ganz unten angesiedelt ist. Ein Leben am Rande des Existenzminimums, das allerdings in der weitläufigen Pixelwelt des Raumhafens immer wieder vor Augen geführt bekommt, was es nie erreichen oder haben wird. Wir sammeln Müll, ohne damit tatsächlich mehr allgemeine Sauberkeit zu erreichen, da die Gesellschaft in Gestalt der anderen Figuren kein Bewusstsein für die Umwelt und deren Erhaltung aufzubringen scheint. Ressourcenknappheit ist in diesem Fall nur ein Problem für diejenigen, die wie wir entweder ohnehin nichts haben oder damit eben entsprechend Handel treiben. Der Müllmarkt generiert eine eigene (Schatten-)Ökonomie, die spätestens dann keinen „Spaß“ mehr macht, wenn wir uns mangels größerem Einkommen nur schlechtes Essen leisten können und am nächsten Morgen aufgrund unserer schlechten Ernährung neben unserer eigenen Kotze aufwachen. Gerade dazu passt kongenial der Totenschädel-Fluch über unserem kleinen Köpfchen als eine Art Mahnmal unseres Übels, das uns mit ihrer geballten Aura nie von der Seite weicht.

Ausgefeilte Rätsel oder richtig anspruchsvolle Aufgaben, die es ohnehin nicht gibt, vermisst man beim täglichen Kampf um genug Essen und Schlaf eigentlich nicht. Zu eindeutig weist uns das Geschehen darauf hin, dass es darum im Grunde nicht geht. Herumlaufen, einsammeln, die eigenen Grundbedürfnisse im Auge behalten und mal mehr oder weniger konkret sinnvolle Dialoge über Kapitalismus, Glaube, Flüche sowie noch einige weitere mehr als nur unterschwellig präsente Themen in einem sympathisch fiesen Gesamtzusammenhang zu erleben - das muss letztlich als basales Prinzip genügen. Denn bei allem dem Pixelprunk ist selbst der Hoffnung, mit genug Geld den Planeten verlassen und somit doch noch das offiziell ausgegebene Spielziel erreichen zu können, ein trügerischer wie schleichender Tod geradezu inhärent eingeschrieben.

Fazit

Diaries of a Spaceport Janitor, das bereits Ende letzten Jahres für PC erschien, ist eines dieser Indie-Adventures, die man gerade dann zumindest anspielen sollte, wenn man mal wieder dem Irrglauben aufgesessen ist, simple Umsetzungen mit simplen Botschaften gleichzusetzen. Das Adventure macht in der Tat wenig Spaß im klassischen Sinne und kann weder technisch, ludisch oder erzählerisch auch nur einen abgeranzten Blumentopf gewinnen. Doch das hat neben dem antiquierten Ansatz aber auch einen ganz konkreten, zumindest leicht nachvollziehbaren Grund: die Pixelgrafik verniedlicht das Elend, aber genau das macht es auch so unangenehm, die Augen vor der Botschaft zu verschließen.

Wir steuern ein im wahrsten Sinne verzweifeltes Mitglied der untersten Arbeiterklasse ohne reele Aussicht auf ein besseres Leben. Dieser Ansatz formuliert zumindest latent eine Ideologiekritik, wie sie gerade Blockbuster-Games mit ihren im Spielverlauf hochgeskillten und geupgradeten Heldengestalten gerade vermeiden. In Diaries sammeln wir Müll wie Millarden Menschen auf der Welt und leisten bei allem Engagement eine Arbeit, die de facto kaum mehr positivere Auswirkungen auf unsere Umwelt oder unser Leben hat, als der Schutz eines einzelnen Baumes innerhalb eines abgeholzten Regenwaldes. Traurig, aber wahr. Auch so können Games manchmal sein. 

Diaries of a Spaceport Janitor  • Sundae Month/tinybuild • Anti-Adventure

Abb. © Sundae Month/tinybuild

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.