1. Juli 2019 3 Likes

Katzenzustände

Fünf Science-Fiction-Romane über Multiversen, bei denen Erwin Schrödinger vor Neid erblasst wäre

Lesezeit: 4 min.

1935 packte der Physiker Erwin Schrödinger seine Katze, ein radioaktives Präparat, einen Detektor für die beim Zerfall des radioaktiven Materials erzeugte Strahlung und eine tödliche Menge Gift, die beim Ansprechen des Detektors freigesetzt werden würde, in eine Kiste und erklärte, dass damit die Katze nach den Regeln der Quantenmechanik in einen Zustand gebracht wird, in der sie zugleich lebendig und tot ist: Welchen Zustand die Katze tatsächlich angenommen hat, wissen wir erst, wenn wir nachsehen. Schrödinger wollte mit diesem Gedankenexperiment, bei dem keine Katzen zu Schaden gekommen sind, illustrieren, dass in der Quantenmechanik der Beobachter – also derjenige, der die Kiste öffnet – den Zustand der zu beobachtenden Systems – also der Katze nebst Detektor, radioaktives Material und Gift – beeinflusst. Nach der Kopenhagener Deutung kann es nur ein mögliches Ergebnis geben: Katze tot oder Katze lebendig. Nach Hugh Everett III. könnte es hingegen auch möglich sein, dass die Katze auch nach dem Öffnen der Kiste beide Zustände angenommen hat – aber in unterschiedlichen Universen. In einem wurde sie vergiftet, im anderen erfreut sie sich bester Gesundheit (wenn vermutlich auch nicht bester Laune, deswegen hüten Sie sich davor, dieses Experiment in der Realität auszuprobieren!). Everetts Idee ist der Ausgangspunkt seiner „Viele-Welten-Theorie“, die der Physiker 1957 formulierte – und die Science-Fiction-Autoren, denen die Idee nicht gänzlich neu war, griffen sie gerne auf. Hier sind fünf Romane, die uns einige der vielen, vielen Welten aus Hugh Everetts Theorie zeigen:

David Brin: „Der Übungseffekt“

Dem Physiker Dennis Nuel gelingt es, dank des Zivatrons, einer genialen Maschine, in eine Parallelwelt vorzustoßen. Sie ähnelt der unseren auf erstaunliche Weise, nur scheinen dort ein paar unserer vertrauten Naturgesetze keine Gültigkeit zu besitzen: Schwerter werden nicht stumpf, wenn man sie benutzt, sondern schärfer; Werkzeuge nutzen sich nicht ab, sondern erreichen erst nach und nach ihre volle Effektivität. Dieses Phänomen wird als „Übungseffekt“ bezeichnet, doch was – oder wer – löst es aus?

David Brin: Der Übungseffekt • Roman • Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt • Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 • Taschenbuch und E-Book • Preis des E-Books: € 9,99 • im Shop

David Gerrold: „Zeitmaschienen gehen anders“

Daniel Eakins, ein Collegestudent im Jahr 1974, bekommt eines Tages Besuch von seinem Onkel Jim. Doch dieser stirbt schon bald und hinterlässt Daniel ein einzigartiges Erbstück – einen Zeitgürtel. Nach reiflicher Überlegung und aufmerksamem Studieren der Gebrauchsanweisung entschließt er sich zu einem Test und springt in die Vergangenheit und in die Zukunft. Schon bald begegnet er in der Zukunft einer weiteren Version seiner selbst, gewinnt Geld bei Pferdewetten und wird reich. Was er jedoch nicht erkennt: Zeitreisen funktionieren ganz anders, als H. G. Wells sich das einst vorgestellt hat. Man reist zwar tatsächlich durch die Zeit und kann Wendepunkte der Geschichte ebenso besuchen wie zukünftige Ereignisse. Das wahre Geheimnis der Zeit jedoch kennt Daniel noch nicht, und es wird ihn alles kosten …

David Gerrold: Zeitmaschinen gehen anders • Roman • Aus dem Amerikanischen von Mary Hammer • Wilhelm Heyne Verlag, München 2017 • Taschenbuch und E-Book • Preis des E-Books: € 8,99 • im Shop

Iain Banks: „Welten“

Adrian Cubbish hat offenbar gerade eine Glückssträhne: Er steigt vom gerissenen Drogendealer zu einem der mächtigsten Finanzmanager der Welt auf. Doch als sich ihm seine Mittelsmänner offenbaren, kann er es kaum glauben. Denn es gibt neben unserer Realität noch eine Vielzahl weiterer Welten, die von einem mächtigen Konsortium überwacht werden. Ehe sich Adrian versieht, ist er in ein weitreichendes Komplott zwischen diesen Welten verstrickt – und nicht nur sein Leben, sondern unsere gesamte Realität steht auf dem Spiel …

Iain Banks: Welten • Roman • Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Wilhelm Heyne Verlag, München 2010 • Paperback und E-Book • Preis des E-Books: € 11,99 • im Shop

Sergej Lukianenko: „Weltengänger“

Zunächst sieht es aus wie ein böser Scherz: Als Kirill eines Abends nach Hause kommt, hat jemand seine Wohnung komplett umgeräumt und eine hysterische Frau behauptet, sie wohne hier schon seit Jahren – und sie kann das auch belegen. Doch damit nicht genug: Auch sonst kann sich niemand, weder Freunde noch Verwandte, daran erinnern, dass Kirill je existiert hat. In größter Verzweiflung wird Kirill durch einen anonymen Anruf auf ein atemberaubendes Geheimnis gestoßen: Manche Menschen fallen zuweilen aus ihrer Existenz heraus und werden zu »Weltengängern«, zur Schnittstelle zwischen zwei miteinander verbundenen Parallelwelten. Für Kirill beginnt eine abenteuerliche Suche nach Antworten …

Sergej Lukianenko: Weltengänger • Roman • Aus den Russischen von Christiane Pöhlmann • Wilhelm Heyne Verlag, München 2008 • Paperback, Taschenbuch und E-Book • Preis des E-Books: € 9,99 • im Shop

Michael Coney: „Charisma“

Eine geheime Forschungsstation in Cornwall entdeckt, dass es eine ganze Reihe von parallelen Welten gibt. In jeder dieser Welten agieren dieselben Menschen in nahezu identischen Situationen. Nur die individuellen Handlungen unterscheiden sich, und deren Ergebnisse müssen in den anderen Welten nachgeholt werden. John Maine verliebt sich in eine wunderschöne Frau, doch sie stirbt bei einem Unfall. Um sie in einer der Parallelwelten wiederzufinden, meldet er sich freiwillig für das Experiment – und findet heraus, dass auch er in der Parallelwelt bereits tot ist …

Michael Coney: Charisma • Roman • Aus dem Englischen von Hans Mader • Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 • E-Book • € 3,99 • im Shop

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