6. März 2023

Hup dich glücklich

Zwei Fabeln und eine Geschäftsidee

Lesezeit: 4 min.

Wir beginnen diesmal mit einer Fabel, ich nenne sie: „Der Frosch und der Uhu“.

Ein Frosch und ein Uhu gingen ins Kino. Es war ihr erstes Mal. Es roch nach Popcorn und Nachos und nach pfefferscharfer Nacho-Tunke. Das Licht ging aus. Der Vorhang teilte sich. Musik erscholl. Die Leinwand blieb weiß.

„Muss das so sein?“, fragte der Frosch nach einer Weile in die berserkerhafte Musik hinein.

„So muss es sein. Genau so“, sprach der Uhu.

„Ich weiß ja nicht“, sagte der Frosch.

„Was weißt du schon?“, erwiderte der Uhu besserwisserisch.

Alles in allem war es ein schöner Abend.

„Morgen“, sagte der Uhu auf dem Heimweg, „probieren wir Netflix.“ Dabei betrachtete er die Amphibie verstohlen von der Seite. Eigentlich, dachte der Uhu, sieht sie ganz appetitlich aus.

Was, wird die Leserschaft an dieser Stelle fragen, unterscheidet den Menschen eigentlich von Frosch und Eule, den Tieren überhaupt? Nun, ganz klar: Tiere denken nur ans Vergnügen und an die nächste Mahlzeit. Menschen dagegen haben Geschäftsideen.

Da fällt mir eine Geschäftsidee ein, die von meinem Sohn erdacht wurde. Mein Sohn und ich besitzen Dauereintrittskarten für einen in Dortmund beheimateten Ballspielverein, den ich hier nicht namentlich nennen möchte; dem Kenner sei anvertraut, dass dessen Spieler, soweit sie Dienstkleidung tragen, in einem Bienenschwarm oder unter Hummeln farblich nicht hervorstechen würden.

Wie auch immer, an diesem Spieltag waren wie so oft endlose Karawanen von Autos unterwegs zur Spielstätte, sie standen Stoßstange an Stoßstange, nichts ging mehr. Wir dagegen liefen zu Fuß und überholten ohne Anstrengung manch fetten, vor sich hin dampfenden Boliden und SUVs von der Größe eines Weltkriegsbunkers. Allenthalben wurde fleißig gehupt, denn wer hätte je von einem Stau gehört, der sich nicht durch gutes Hupen in Wohlgefallen aufgelöst hätte?

Ein Jux.

Da bemerkte mein Sohn: „Natürlich hupen die Leute, weil sie sich ärgern.“

Das wäre in Ordnung. Aber müssen sie deswegen ihren lauffähigen Zeitgenossen ohrenbetäubend lästig fallen?

Dazu die Geschäftsidee meines Sohnes: „Man sollte Hupen anbieten, die nur im Innenraum der Autos zu hören sind. Leise Hupen, laute Hupen, Dreiklanghupen, Hupen mit Stahlmembranen und Resonatoren, Drucklufthörner, Nebelhörner und Typhone. Hupen, die heulen, Hupen, die stöhnen, Hupen, die wie das Gekoller im Gedärm eines überfressenen Brontosauriers klingen, scheißegal - Hauptsache, es dringt kein Mucks nach außen. Dann können sich die Staubewohner nach Herzenslust den Frust von der Seele hupen. Und allen wäre geholfen.“

Ohne Zweifel eine schöne Idee. Zukunftsträchtig und unmittelbar einleuchtend. Ich sehe prächtige Hupenwerke aus dem Boden gestampft. Ich sehe Arbeiterschaften mit kräftigen Oberarmen und dem Schalk in der Augen zur Frühschicht marschieren. Ich sehe florierende Aktiengesellschaften entstehen, auf deren Jahreshauptversammlungen Schnittchen gereicht werden, üppig wie die Dividenden. Ich sehe Lehrstühle für Hupologie oder Hupistik an den Universitäten.

Sicher: Wir könnten nun ein Patent auf diese Innenhupe einreichen. Pas de problème. Um aber dem nicht zu unrecht bemängelten Kapitalismus eins zwischen die Hörner zu geben, erkläre ich unsere Geschäftsidee hiermit zu frank und freiem Allgemeingut: Es bediene sich jeder nach Herzenslust!

Dortmund spielte übrigens vier zu drei.

Will die Literatur uns bereichern? Keine Frage! Will sie uns auch belehren?

Natürlich, sehr verehrtes Publikum, werte Schöffen und Geschworene, Parkwächter und andere Tunichgute, sucht ihr nach Rat und Weisung, nach dem alles entscheidenden Wink. Ihr kauft und lest Ratgeber zum Erfolg, zur Selbstfindung, zum Training des Vagus-Nervs, wie man Depressionen überwindet, Warmwasser spart und sein Vermögen mehrt, nein sagen lernt sowie natürliches Facelifting, Cholesterin senkt, den Darm reinigt und als Frau ein Online-Business aufbaut. Aber ist all dies nicht eitel Firlefanzerei und unnütz Brimborium?

Nun, ich will diese Frage mit einer weiteren Fabel beantworten: „Die Fledermaus und der Sperling“.

Eine Fledermaus hing kopfüber vom Ast einer Esche, als es Abend wurde. Gleich würde sie aufbrechen und ihren ultraschallenen Jagdgesang anheben nach Mücken und anderem Geschmeiß.

Sie grübelte.

Immer schon hatte sie davon geträumt, Spionin zu werden – ob für den BND, die CIA, den Mossad, das wäre ihr gleich. Hauptsache, es wäre ein guter Geheimdienst, der gut zahlte und (jedenfalls nach Meinung der Mainstreammedien) das Gute wollte.

Als es aber heute zu dämmern begonnen hatte, waren ihr, der Himmel mochte wissen warum, Zweifel gekommen. Ob sie, anstatt Spionin zu werden, nicht doch einen Bausparvertrag abschließen sollte?

In diesem Augenblick flog ein Sperling vorbei, entdeckte die Fledermaus und dachte bei sich: Meine Güte!

 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

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