9. Dezember 2024 1 Likes

„Die Schneeschwester“ auf Netflix

Maja Lundes bezaubernde Weihnachtsgeschichte über Familie, Trauer und Zuversicht

Lesezeit: 3 min.

Weihnachten steht vor der Tür. In der Stadt locken die Stände mit Glühwein, Lebkuchen und Spielzeug, in der Schule proben die Kinder ihren großen Chorauftritt. Doch Julian (Mudit Gupta) fällt es schwer, fröhlich zu sein. Eigentlich hätte der Junge doppelten Grund, dem Fest entgegenzufiebern, hat er doch an Heiligabend Geburtstag. Doch es wird die erste Weihnacht ohne seine verstorbene Schwester Juni sein. Und ohne sie macht das Fest keinen Sinn mehr. Bis die gleichaltrige, lebenslustige Hedwig (Celina Meyer Hovland) in sein Leben platzt – und ihn daran erinnert, was Weihnachten wirklich ausmacht.

Haben Sie in letzter Zeit einen Blick in die gute alte Programmzeitschrift oder deren digitales Pendant geworfen? Es gibt hierzulande tatsächlich einen Sender, der sein Abendprogramm seit November quasi nur mit Weihnachtsfilmen füllt. Drei, vier Stunden voller bunt geschmückter Tannen, Schnee und nicht selten romantischer Verwirrungen, die in ein Happy End münden. Uff, das nennt man wohl „Christmas overload“. Dabei hat das Genre diesen nun wahrlich nicht verdient, hat es uns doch solche unvergleichlichen Filme „Alle Jahre wieder“-Filme wie „Kevin allein zu Haus“, „Nightmare before Christmas“ und „Stirb langsam“ geschenkt.

In der Hoffnung, solch einen Klassiker zu kreieren, werden kurz vor dem Fest Kinos, Fernsehkanäle und Streamingdienste mit mal mehr, mal weniger guten Filmen geflutet. Selten ist darunter eine Perle wie Netflix’ „Klaus“ zu finden – und mit „Hot Frosty“ setzen die Kalifornier:innen dieses Jahr werbetechnisch eher auf die seichte, romantische Einheitsware als auf große Filmkunst. Gäbe es da nicht eine Verfilmung auf dem Portal, die das Zeug zum neuen Weihnachtsklassiker hat: „Die Schneeschwester“.

Norwegen rettet Weihnachten, oder besser gesagt: Maja Lunde (im Shop) rettet das Fest. Denn während die Autorin hierzulande vor allem für ihr famoses Klimaquartett bekannt ist, hat sie in ihrer Heimat längst die Herzen jüngerer Leser:innen erobert. Neben ihrem Comicdebüt „Der Eisbärprinz“ (im Shop) sorgt dafür auch „Das Jahreszeitenquartett“, das mit „Die Schneeschwester“ (im Shop) beginnt und fantastisch von Lisa Aisato illustriert wurde.

Buch und Film bieten zwar klassische Familienunterhaltung, zählen aber weder zu den romantischen, noch den lustigen Streifen dieses Genres. Aber es gibt ja auch noch eine weitere Kategorie: die der Weihnachtsfilme, bei denen Zuschauer:innen die Taschentücher neben sich stehen haben sollten – und ja, die werden Sie brauchen. Denn in erster Linie ist „Die Schneeschwestern“ eine Geschichte über Trauer und wie man sie bewältigen kann. Während Julians Eltern nicht in der Lage sind, über den Tod der ältesten Tochter zu reden, ihr Grab regelmäßig zu besuchen oder ein Foto von ihr im Wohnzimmer ertragen können, versteht seine jüngere Schwester Augusta nicht, warum Juni an Weihnachten nicht zuhause sein kann.

Und Julian? Der ist gefangen zwischen beiden Extremen, möchte sich an seine große Schwester erinnern, hat aber auch keine Möglichkeit, mit seiner Familie gemeinsam zu trauern. Bis Hedvig sich in sein Leben drängt: Ein rothaariger Wirbelwind, den kein Wässerchen trüben kann – und der Weihnachten über alles liebt. Es ist ihre Lebensfreude, die Julian schließlich ansteckt und ihn dazu bewegt, ein neues Kapitel in seinem und dem Leben seiner Familie aufzuschlagen. Bis es so weit ist, muss er sich nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit Hedwigs eigenem traurigem Geheimnis auseinandersetzen. Denn so fröhlich das Kind auch ist, irgendwas an ihm ist seltsam und passt nicht ganz in Julians Welt.

Mit „Die Schneeschwestern“ ist Regisseurin Cecilie A. Mosli ein wunderbarer Film mit vielen unverbrauchten, jungen Schauspieler:innen gelungen, der uns an den Geist der Weihnacht erinnert: An die Liebe und die Hoffnung, die (Wahl-)Familien verbindet und uns zuversichtlich ins neue Jahr blicken lässt. Er ist aber auch eine Geschichte über Trauer, Loslassen und Neubeginn – einer dieser bittersüßen Filme, an dessen Ende jede:r eine Träne verdrückte.

Die Schneeschwester • Norwegen 2024 • Regie: Cecilie A. Mosli • Darsteller: Mudit Gupta, Celina Meyer Hovland, Ole Steinkjer Øyen, Advika Bal, Samsaya Sampda Sharma, Gunnar Eiriksson und Jan Sælid • Empfohlen ab 12 Jahren • Seit dem 29. November auf Netflix

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