12. Dezember 2016 1 Likes

Halleluja halal!

Die Zukunft von Weihnachten – religionsprognostisch betrachtet

Lesezeit: 3 min.

Weihnachten naht mit Riesenschritten, eine rundum fröhliche Zeit. Die großen wie die kleinen Glaubensgemeinschaften ergreifen die Gelegenheit beim Schopf und wetteifern darum, welche von ihnen mehr Wohltaten unter’s Volk zu streuen vermöchte.

Es riecht nach Zimtstern, Apfelkompott und koscher Sauerbraten. Aus den Kaufhäusern klingen die schönsten muslimischen Weihnachtslieder, und auf den Weihnachtsmärkten lachen – Ho Ho Ho! – die Weihnachtsmänner wie ausgelassene Coca-Cola-Flaschengeister; sie rufen „Beim Barte der Propheten“ und streichen sich vielsagend über den eigenen, den sie liebevoll mit dem Kangha kämmen, jenem Holzkamm, der für innere wie äußere Reinheit sorgt.

Ihnen zur Seite, mal links, mal rechts, stehen die güldenen Buddha-Statuen und die bunt lackierten Winkekatzen und strahlen in weihnachtlichem Glanz um die Wette.

Wie schön die Kerzen auf den Christkindelmärkten leuchten, schließlich ist ja auch Chanukka & Pavarama zugleich, die Fastenzeit ist vorüber, und die Mönche und Nonnen stehen in der Schlange an der Weihnachtsbäckerei, wo es Crêpe gibt, mit Nutella, völlig halal.

Nebenan ist der Stand mit den selbstgebastelten Gebetsmühlen, aus denen, wenn der Kuckuck dreimal ruft, Maria und Josef hervortreten, Ochs und Esel, Shiva und Vishnu, Winnetou und Old Shatterhand. Hatte die wackere Rothaut ihrem Blutsbruder nicht kurz vor Toreschluss gestanden, zum Christentum übergetreten zu sein? Ja, hatte sie, bei Manitu und Nanabozho, dem großen Kaninchen, Halleluja!

Schön, einfach schön, wie sich die Religionen verbrüdern, verschwestern nach Herzenslust. Bärtige Juden sieht man zuhauf, Olivetanerinnen und Alawiten, Aleviten, Zeugen Jehovas, Jesuiten und Jesiden, solche, die an Russells Teekanne glauben oder an das Unintelligent Design, Kopten und Russisch-Orthodoxe, Rastafari und Pastafari, Kemetisten, Dievturi, Drusen, Schabaken, Protestanten, Lutheraner, Mormonen und Siebenten-Tags-Adventisten, die zwar Cornflakes essen dürfen, aber keine Muscheln und Krabben (weswegen der hiesige Weihnachtsmarkt gleich ganz auf Muscheln und Krabben verzichtet).

Allesamt haben sie Lametta im Haar; an den Ohren baumeln große grüne, goldene und rote Christbaumkugeln. Überall schwirren diese kleinen silbernen Engel herum, setzen sich auf unsere rechten Schultern und flüstern uns feurige Botschaften ins Ohr; ich denke: Dort, in dem überlebensgroßen Tannenbaum, haben sie ihr Nest.

Wenn man die Kinder erschrecken will (aber wer will schon Kinder erschrecken, zumal in der Adventszeit?), erzählt man ihnen, dass es auch einmal anders war, dass Katholiken und Protestanten einander mal schief angesehen, ja handgreiflich aneinander geraten sind und – hömhöm, wie peinlich – sogar Krieg gegeneinander geführt haben. Oder waren es die Lutheraner und Anglikaner? Schiiten und Sunniten? Die Anhänger dieses gegen die Anhänger jenes Fußballgottes?

Ist ja auch egal.

Das ist lange her.

Damals.

Anno dazumal.

Schon nicht mehr wahr.

Seit ewigen Zeiten steht weltweit die Gotteslästerung unter allerstrengster Strafe. Der Gesetzgeber hat sich mächtig ins Zeug gelegt: Ewige Verdammnis ist noch das Geringste, sogar Fahrverbote drohen und Führerscheinentzug. Freilich müsste der oder die Belästigte – also Herr oder Frau Gott – in eigener Person Anzeige erstatten.

Die Polizeikontore jedenfalls stehen offen. Für den Fall der Fälle haben die Ordnungshüter den Bleistift gespitzt und ein Formular aus Pergament zur Hand. Die Türe hoch, die Tore weit.

Aber, was soll ich euch sagen?

Bis zum heutigen Tag hat sich Gott kein einziges Mal beklagt.

Warum nur haben wir seinen Humor so lange unterschätzt?
 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

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