Singinʼ in the Rain
Von Pups-Niederschlägen und Diamant-Schauern, oder: Wie viele Worte es im Universum wohl für Regen gibt?
Von weißen Weihnachten bis zur verregneten Grillparty – wenn es bei uns auf der Erde ums Wetter geht, dann geht es meistens um irgendeine Form von Niederschlag. Angeblich haben die Inuit ja fünfzig verschiedene Wörter für Schnee, und auch wir sind reichlich kreativ mit Bezeichnungen für die verschiedenen Formen von H2O, die bei uns vom Himmel fallen: Niesel, Platzregen, Eisregen, Schnee, Hagel, Graupel, Schnürlregen, sogar sauren Regen – man möchte meinen, die Vielfalt könnte kaum größer sein. Aber weit gefehlt, denn im Vergleich zu dem, was auf anderen Planeten so von oben herabfällt, können wir über unser mehr oder weniger klares Wasser wirklich froh sein. Das mag schwer zu glauben sein, wenn man gerade von einem Regenguss überrascht wurde und pitschnass nach einem Unterschlupf sucht, aber als Gegenbeweis hier die Top 5 der kuriosesten Niederschläge im Universum:
Blicken wir zunächst einmal gar nicht so weit weg: Auf unserem unangenehm heißen Nachbarplaneten Venus findet man in der Atmosphäre vor allem Kohlendioxid und dicke, fluffige Wolken aus … Schwefelsäure. Ja, genau, das Zeug, das bei uns in den Siebzigerjahren in verdünnter Form auch gerne mal als saurer Regen vom Himmel kam. Aber keine Panik, einem Morgenspaziergang auf der Venus steht, zumindest unter diesem Gesichtspunkt, nichts im Wege, denn auf der Venus ist es so heiß, dass jeglicher Niederschlag auf dem Weg zum Boden gleich wieder verdunstet. Auf der Erde gibt es dieses Phänomen übrigens auch – die Wetterfrösche nennen das „Fallstreifen“ oder „Virga“, und wenn es nicht gerade aus Schwefelsäure besteht, ist es auch sehr hübsch anzusehen.
Etwas weiter von der Erde entfernt ist Titan, der größte Saturnmond – auch ihm habe ich bereits einen Beitrag gewidmet und festgestellt, dass es dort, abgesehen von Kleinigkeiten wie -180 Grad Celsius Oberflächentemperatur, gar nicht mal so furchtbar ist. Eine von Titans bemerkenswerten Ähnlichkeiten mit der Erde ist die Existenz eines Flüssigkeitskreislaufes. So wie bei uns Wasser aus Seen und Meeren verdunstet, zu Wolken wird und wieder ausregnet, geschieht das auch auf Titan – allerdings mit sogenannten Kohlenwasserstoffen, also Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Die bekannteste davon ist Methan, das wir hier auf der Erde durch den Treibhauseffekt und die Landwirtschaft kennen. Um es kurz zu machen: Auf Titan regnet es flüssige Kuh-Flatulenzen. Und im Gegensatz zum sauren Regen auf der Venus kommt der Pups-Niederschlag auf Titan sehr wohl unten an.
Gleich nebenan finden wir den Planetenriesen Jupiter. Auch er kam schon zur Sprache, weil auf ihm seit dreihundert Jahren ein gigantischer Sturm tobt. Es zeigt sich also schon, dass das Wetter auf Jupiter ziemlich aufregend sein muss, auch wenn man es vielleicht nicht aus der Nähe kennenlernen möchte. Angefangen mit der NASA-Sonde Galileo wurde die atmosphärische Zusammensetzung von Jupiter über die letzten zwanzig Jahre analysiert, und die Forscher fanden Unstimmigkeiten: Da Jupiters Atmosphäre im Großen und Ganzen der der Sonne ähnelt, hatte man ähnliche Anteile an Helium und Neon erwartet wie in unserem Mutterstern. Tatsächlich ist die Konzentration dieser beiden Gase deutlich geringer als vermutet. Des Rätsels Lösung: Helium kondensiert in der oberen Atmosphäre von Jupiter zu Tropfen, die zum Kern des Planeten hin fallen (nicht vergessen: Jupiter ist ein Gasplanet und hat keine feste Oberfläche im herkömmlichen Sinne). Auf dem Weg sammeln die Heliumtröpfchen dann Neonpartikel ein, sodass es auf Jupiter – und vermutlich auch auf Saturn – Helium mit Neonspuren regnet. Ob die Bewohner von Jupiter auch so gern einen tiefen Atemzug nehmen, um dann mit lustigen Mickey-Mouse-Stimmen herumzualbern?
Wer nun Helium und Neon auf Jupiter und Saturn schon spannend findet – bitte anschnallen! Denn auf diesen wundersamen Gaswelten, die wir bisher kaum verstehen, fallen offenbar noch ganz andere Dinge vom Himmel. In beiden Atmosphären kann man Kohlenstoffverbindungen finden, die wir auch auf der Erde reichlich haben. Hier bei uns, in großen Tiefen, unter hohem Druck und großer Hitze, werden Kohlenstoffatome zuweilen in extrem starre, hochorganisierte Gitterstrukturen gepresst, die nach Jahrtausenden von Menschen ausgegraben und in königliche Schmuckstücke eingesetzt werden. Die Rede ist, ganz klar, von Diamanten. Extreme Temperaturen und hohen Druck gibt es auch auf Saturn und Jupiter reichlich, und siehe da: Forscher vermuten, dass die tiefere Atmosphäre beider Planeten angefüllt ist von diesen Edelsteinen. Und es kommt noch besser: Weiter unten in der Atmosphäre könnte es sogar sein, dass sich diese Diamanten verflüssigen, sodass es auf Jupiter und Saturn weit, weit unten tatsächlich Regen aus flüssigen Diamanten geben könnte. Dazu fällt mir nicht mal mehr mir ein Kommentar ein.
Und dann gibt es da noch die ganz fernen Welten, zum Beispiel den Planeten HD 189733b, der seinen Mutterstern HD 189733 umkreist (die Namensgebung für andere Sonnen und Planeten müsste dringend mal reformiert werden …), ganze dreiundsechzig Lichtjahre von uns entfernt. Wirklich hübsch sieht er aus, der Planet mit dem langweiligen Namen, wie er da wie eine blaue Murmel in den Tiefen des Alls schwebt. Doch die Schönheit trügt: Weil HD 189733b sehr eng um seinen Stern kreist, liegen die Temperaturen dort um 930 Grad Celsius, und die hübsche blaue Farbe rührt vermutlich von winzigen Glaspartikeln in seiner Atmosphäre her. Außerdem toben dort Winde von bis zu 7000 Kilometern pro Stunde. Mit anderen Worten: Auf HD 189733b regnet es geschmolzenes Glas – und zwar waagerecht.
Wenn Ihnen also mal wieder jemand erzählt, es gäbe kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung, können Sie ihm getrost den Vogel zeigen.
Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.
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