26. Juli 2021

Das Wetter auf HD 189733b

Warum die Suche nach Leben auf der Venus und einigen anderen Planeten sinnlos ist

Lesezeit: 4 min.

Leben gedeiht unter den feindlichsten Bedingungen. Bestimmte Bakterien, die sogenannten Extremophilen, können in vulkanischen Thermalquellen im tiefsten Ozean überleben, wo es weitaus heißer ist als irgendwo auf der Erdoberfläche. Und ich möchte wetten: Wenn wir irgendwann einmal den Krempel von der Mondlandung 1969 abholen, werden wir auch daran ein paar Bakterien finden.

Deshalb kann ich das plötzliche Interesse an dem Planeten Venus nachvollziehen. Momentan sind für Ende dieses Jahrzehnts gleich zwei Missionen dorthin geplant. Die beiden Sonden, die zur Venus geschickt werden sollen, hören auf die skurrilen Namen DAVINCI+ (Deep Atmosphere Venus Investigation of Noble Gases, Chemistry and Imaging) beziehungsweise VERITAS (Venus Emissivity, Radio Science, InSAR, Topography and Spectroscopy), aber fragen Sie mich bitte nicht, was das alles heißen soll. Jedenfalls sollen diese Sonden die Planetenoberfläche kartieren, nach Leben suchen, die Zusammensetzung der Atmosphäre messen und allerhand Tests durchführen. Was meiner Meinung nach völlig sinnlos ist.

Natürlich wäre es großartig, wenn wir auf der Venus Leben finden, damit wir nicht länger allein im Universum sind und so weiter. Aber eine Sonde dorthin zu schicken ist Zeitverschwendung, da ich die wichtigste Tatsache über den Planeten bereits kenne: Auf der Venus ist es grauenhaft. Ein unwirtlicherer Ort ist kaum vorstellbar. Die Atmosphäre besteht aus tödlichen Kohlendioxidwolken, die Oberflächentemperatur beträgt 487 Grad Celsius, und der Druck plättet einen sofort zum Pfannkuchen. Und noch dazu regnet es Schwefelsäure und schneit Metall. Letzteres ist nicht meiner Fantasie entsprungen, das stimmt wirklich. Zugegeben, die Schwefelsäure verdampft, bevor sie die Oberfläche erreicht, ganz so schlimm ist es also nicht. Trotzdem spielt es keine Rolle, ob wir auf der Venus Leben finden oder nicht - weil wir niemals auch nur einen Fuß auf diesen Himmelskörper setzen werden.

Als ich von den beiden Venusmissionen las, dachte ich an die vielen anderen Orte im Universum, die wir unter keinen Umständen besuchen wollen. Es gibt nämlich noch grauenhaftere Planeten als die Venus. Wenn Sie also mal einen schlechten Tag haben, stellen Sie sich einfach vor, wie es wäre, an einem der folgenden Orte zu wohnen - wetten, dass Ihr Leben dort noch viel schlimmer wäre?

Zum Beispiel auf HD 189733b, der keinen Namen hat, obwohl er einen verdient. Auf den ersten Blick scheint er ein vielversprechender Planet zu sein: Er ist so blau wie die Erde. Aber in diesen Ozean taucht man seine Zehen nur einmal. Über die Oberfläche peitschen nicht nur unaufhörlich Stürme mit Windgeschwindigkeiten von etwa 8.700 Stundenkilometern, aufgrund der silikathaltigen Atmosphäre regnet es auch noch geschmolzenes Glas. Das fällt wegen des Winds natürlich nicht kerzengerade zu Boden, stattdessen entstehen Glasscherbenstürme. Auch das denke ich mir nicht aus, das ist wissenschaftlich bewiesen. HD 189733b existiert wirklich. Und wir werden uns dort niemals häuslich niederlassen.

Oder nehmen wir TrES-2b. (Wer zum Teufel denkt sich eigentlich diese Namen aus? Haut da jemand mit der Faust auf die Tastatur und schaut, was dabei rauskommt?) Dort ist es finster. Nicht so, wie es Grufties oder Vampire mögen, sondern wortwörtlich. Die Atmosphäre absorbiert etwa 99 Prozent des sichtbaren Lichts. Dadurch sind auch künstliche Lichtquellen nutzlos. Theoretisch, denn nachprüfen kann das niemand, ohne zu Asche zu verbrennen – die Oberflächentemperatur beträgt nämlich kuschlige 980 Grad Celsius.

Ach ja, vermutlich ist Ihnen aufgefallen, dass ich Ihnen nicht verraten habe, wo diese Planeten liegen. Das liegt nicht daran, dass ich so ein Geheimniskrämer bin oder es selbst nicht weiß. Ich habe nachgesehen, wo sie sich befinden: TrES-2b etwa ist irgendwo im Sternbild Drache neben Stern GSC 03549-02811. Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie damit etwas anfangen können, mir sagt das leider überhaupt nichts. Ist aber auch egal, weil wir diese Horrorplaneten niemals betreten werden.

Zu guter Letzt noch zwei Reiseziele – oder in diesem Fall wohl besser gesagt: Endstationen. Proxima B klingt zunächst eigentlich gar nicht so schlecht. Er steht zu seiner Sonne in gebundener Rotation, was bedeutet, dass er sich nicht um sich selbst dreht. Eine Seite ist höllisch heiß, die andere eiskalt, aber dazwischen gibt es eine gemäßigte Zone. Ganz nett, oder? Vorausgesetzt, Sie vertragen eine Sonnenstrahlung, die etwa viertausendmal mal höher ist als die unserer Sonne, und kommen ohne Ihre Zähne, Ihre Haut und Ihre inneren Organe aus. Wie wäre es stattdessen mit CoRoT-7b, wo es Felsbrocken regnet? In seiner Atmosphäre befinden sich Mineralien, die ganze Felswolken bilden, außerdem wird die – vermutlich ziemlich kahle – Oberfläche von Sand- und Steinstürmen heimgesucht. Übrigens: Wenn ein Felsbrocken auf dem Boden landet, schmilzt er sofort. So heiß ist es auf CoRoT-7b.

Sollte es wirklich Bakterien an diesen Orten geben, können sie ihre Planeten von mir aus behalten.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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