11. Oktober 2021

Karten auf den Tisch!

Wenn die U.S. Space Force einen Orbitallaser hat, sollten wir das wissen

Lesezeit: 4 min.

Die United States Space Force hat ein Problem.

Damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass es sich um eine völlig lächerliche Institution ohne Daseinsberechtigung handelt. Oder dass sie ihr Logo von Star Trek abgekupfert hat. Oder dass man jetzt schon eine aberwitzige Menge Geld in diese Weltraumstreitmacht investiert hat, ohne (bis dato) irgendwelche Resultate zu erhalten - von einer großartigen Satireserie mit Steve Carrell auf Netflix mal abgesehen. Nein, in dieser Kolumne geht es um etwas viel Interessanteres: um Geheimhaltung.

Die Space Force ist eine Teilstreitkraft des amerikanischen Militärs, die amerikanische Interessen im Weltraum durchsetzen soll. Dazu braucht sie Waffen. Man sollte also annehmen, dass es solche Waffen bereits gibt oder dass sie sich gerade in der Entwicklung befinden. Was diese Waffen genau sind und wie sie funktionieren, darf uns die Space Force allerdings nicht verraten. Immerhin gehört sie zur amerikanischen Regierung, daher sind alle Projekte, an denen gerade gearbeitet wird, streng geheim. So macht das die Regierung eben. Sie stuft alles Mögliche als geheim ein. Darin ist sie allerdings so gut, dass sich einem manchmal der Eindruck aufdrängt, sie könne sonst gar nichts.

Wobei: Auf den ersten Blick scheint das eigentlich ganz vernünftig. Wenn man im Besitz einer tödlichen Waffe ist, sollte man sie tunlichst unter Verschluss halten, damit der Feind sie nicht klauen kann, oder? Nur: Wenn es um Waffen geht, kommt man mit Geheimhaltung nicht weit. Schließlich will man seine Feinde ja mit Machtdemonstrationen einschüchtern, damit sie keinen Blödsinn machen. Denn sobald sie da tun, muss man mit seiner Supergeheimwaffe Vergeltung üben – und darüber ist der Rest der Welt dann ungefähr so begeistert, als hätte man jemandem auf den Schoß gekotzt. Es gibt einen internationalen Zwischenfall, die Verbündeten sind sauer, alle anderen sowieso – und außerdem weiß jetzt jeder, dass man eine Superwaffe hat. Toll gemacht.

Das soll selbstverständlich nicht heißen, dass es keine Staatsgeheimnisse mehr geben sollte. Klar, im Prinzip wäre das wünschenswert, aber ich kann durchaus nachvollziehen, dass manche Sachen geheim bleiben müssen. Die Space Force hat allerdings so viele Geheimnisse, dass es zu einem echten Problem wird. Das ist nicht nur meine Einschätzung, das sagt die Space Force sogar selbst.

Die Journalistin Sandra Ewing hat vor kurzem einen hochinteressanten Artikel auf Space News veröffentlicht. Zu ihren Quellen zählen mehrere hochrangige Space-Force-Beamte, zum Beispiel Generalleutnant Nina Armago, die Leiterin des Space-Force-Hauptquartiers, die Folgendes zu Protokoll gibt: „Es gibt einen guten Grund, gewisse Dinge zu schützen. Aber mit den Jahren hat sich eine regelrechte Geheimhaltungs-Bürokratie entwickelt.“ Admiral Michael Bernacci, zuständig für Planung und Strategie im U.S. Space Command, pflichtet ihr bei: „So gut wie alles, was mit dem Weltraum zu tun hat, ist streng geheim. Ich darf also weder mit unseren Verbündeten noch mit den anderen Teilstreitkräften darüber sprechen - was die Produktivität nicht gerade erhöht.“

Nun bin ich kein Experte und kenne auch nicht alle Details, aber wenn das eigene Militär in der Gegenwart einer Journalistin für weniger Geheimhaltung im Technologiebereich plädiert, dann ist das meiner Meinung nach durchaus bedenklich.

Für die Admirale und Generalleutnants liegt die Lösung in einem fein austarierten Gleichgewicht: Man muss die anderen wissen lassen, dass man tödliche Waffen besitzt, darf ihnen aber nicht verraten, was genau diese Waffen können. Diese Strategie ist, gelinde gesagt, völliger Schwachsinn. Da klingt man schnell wie der Klassenloser, der behauptet, dass er eine Freundin in Kanada hat („Ehrlich. Ich schwör‘s!“). Meiner Meinung nach wäre die beste Vorgehensweise, alle Weltraumwaffen zu zerstören, die Space Force sofort aufzulösen und sämtliche Nuklearwaffen des Planeten Kim Jong-un in den Allerwertesten zu schieben … Okay, die einfacher durchzuführende Lösung wäre wohl, die Geheimniskrämerei aufzugeben. Du hast eine tolle Weltraumwaffe? Dann wollen wir Beweise sehen. Karten auf den Tisch. Die USA, China, Indien – wer auch immer da oben über Laserwaffen oder wer weiß was noch verfügt, soll bitteschön zeigen, was er hat, oder die Klappe halten.

Das wird natürlich nie passieren. Selbst unter kompetenter Führung ist der amerikanische Regierungsapparat so schwerfällig wie einer dieser riesigen Bagger, der einen ganzen Monat braucht, um sich umzudrehen. Um ein Dokument freizugeben, dauert es Jahre, hunderte Beamte müssen tausende Memos und Mails schreiben, und mindestens einer muss mit einer Disneylandreise bestochen werden.

So viel Zeit haben wir nicht. Wenn die USA wirklich einen Laser haben, mit dem sie aus dem Erdorbit China von der Landkarte pusten können, dann sollte man uns das langsam mal mitteilen. Das ist nicht zu viel verlangt, finde ich.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.