20. Juli 2020 1 Likes 1

Starlink – eine gute Idee oder das Ende der Welt?

Warum ich Elon Musks Plänen für ein schnelles Internet skeptisch gegenüberstehe

Lesezeit: 4 min.

Bevor ich über Elon Musks neueste Idee spreche, möchte ich mir einen Augenblick Zeit nehmen, um mich zu bedanken. Im Juni 2020 ist diese Kolumne vier Jahre alt geworden. Sie zu schreiben, macht mir immer einen Riesenspaß, und ich hoffe, dass mir dies noch eine lange Zeit vergönnt sein wird. Vielen Dank also, dass Sie sie lesen, und danke auch an Stefanie Brösigke und an das Team von diezukunft.de, dass ich mein Geschreibsel hier unterbringen darf.

Aber zurück zum Thema, und das heutige Thema ist Starlink, ein vom unvermeidlichen Elon Musk im Orbit installiertes Satellitennetzwerk. Heutzutage scheint es ja mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass jedes Weltraumprojekt auf irgendeine Weise mit Elon Musk zu tun hat. Ich nehme mir nie vor, über ihn zu schreiben, tue es aber früher oder später doch regelmäßig. Er ist sozusagen die Weltraumversion von Kevin Bacon.

Jedenfalls ist Starlink sein jüngster Geistesblitz: Eine sogenannte Satellitenkonstellation aus Tausenden von kleinen Satelliten, die die Welt mit Hochgeschwindigkeitsinternet versorgen sollen – insbesondere die Regionen der Welt, die bisher so gut wie keinen Zugang zum Internet hatten. Zum Beispiel eher ländliche Gebiete Nordkanadas und der Vereinigten Staaten, die glasfaserkabeltechnisch schlecht erschlossen sind. Soweit ich weiß, decken die Satelliten auch solche Gegenden ab und sollen den dortigen Starlink-Kunden sofortigen Zugang zum Hochgeschwindigkeitsinternet ermöglichen.

Treue Leser dieser Kolumne wissen, dass ich auf Elon Musks Pläne meistens etwas skeptisch reagiere. Immerhin reden wir hier von einem Mann, der eine Menge Geld ausgegeben hat, um ein Auto in den Weltraum zu schießen, weil … einfach, weil er es kann. Ich würde ihn also nicht gerade als einen nüchternen und vertrauenswürdigen Sachwalter des Erdorbits bezeichnen. Aber auf den ersten Blick scheint Starlink wirklich eine gute Idee zu sein, da der Zugang zum Internet mittlerweile zu den grundlegenden Menschenrechten zählt. Es ist ein Skandal, dass es noch Orte auf der Welt gibt, an denen man dieses Recht nicht wahrnehmen kann.

Außerdem sind die Satelliten eine ziemlich clevere Konstruktion. Sie sind nur etwa zweihundertsechzig Kilogramm schwer und wurden speziell für einen Orbit weit unterhalb der normalen Satellitenumlaufbahnen entwickelt. Größere Satelliten befinden sich üblicherweise ungefähr eintausend Kilometer von der Erde entfernt, die Starlink-Exemplare dagegen ziehen auf der Hälfte dieser Höhe ihre Bahnen. Das ist deshalb so entscheidend, weil damit Weltraumschrott in der Tausend-Kilometer-Zone, die sowieso schon ziemlich vermüllt ist, vermieden wird. Außerdem sorgt die geringe Höhe dafür, dass die Satelliten viel schneller verglühen, wenn ihnen die Energie ausgeht. Die in den Satelliten verbaute Technologie ist ebenfalls recht fortschrittlich: Sie sind mit Sternsensoren ausgerüstet, damit sie nicht vom Kurs abkommen, und ihre Ionentriebwerke werden mit Solarenergie betrieben.

Bevor mich jetzt jemand der Elon-Musk-Schleichwerbung für schuldig befindet, kommt hier die obligatorische Portion Skepsis: Starlink ist, wie gesagt, im Prinzip eine gute Idee, und es gibt wohl kaum einen Lebensbereich, der sich nicht durch den Zugang zu Informationen verbessern ließe. Der Science-Fiction-Autor in mir dagegen sagt: Moment mal, sehen wir uns das genauer an. Um Jeff Goldblums Jurassic Park-Charakter Dr. Ian Malcolm sehr frei zu zitieren: Sie waren so darauf konzentriert, ob sie es schaffen können. Ob sie es tun sollten, die Frage stellte sich keiner.

Wetten, dass Sie auf Anhieb zwei bis drei Hollywood-Filme aufzählen können, in denen die Sicherheit und die Existenz der Menschheit durch ein Satellitennetzwerk bedroht wird? Mir sind allein schon beim Verfassen dieses Satzes zwei eingefallen: Im letzten Spider Man-Film zum Beispiel ging es um ein gewaltiges, von Iron Man installiertes Satellitennetzwerk, das … ach, ich weiß nicht mehr, wozu es gut war, aber man kann seine Bewaffnung mit einer Brille steuern und aus irgendeinem Grund hielt es Tony für einen schlauen Einfall, Peter Parker die Kontrolle darüber zu überlassen. Was natürlich schiefging. Zweites Beispiel: Geostorm, in dem es um einen Satellitenschwarm geht, der globale Katastrophen hervorruft, von denen die schrecklichste die Existenz dieses Films ist.

Mir ist natürlich bewusst, dass Filme nicht viel mit der Realität zu tun haben, und ich will auch nicht behaupten, dass der gute alte Elon vorhat, seine Satelliten mit Waffen auszurüsten (obwohl, überraschen würde es mich nicht). Die Unkenrufe, dass man mit Satelliten Verwüstungen auf der Erde hervorrufen könnte, erinnern mich an die düsteren Vorhersagen aus den Fünfzigern, denen zufolge die Russen gewaltige Weltraumplattformen errichten würden, um von dort aus Atombomben auf die Vereinigten Staaten zu werfen.

Allen den Zugang zu Hochgeschwindigkeitsinternet zu ermöglichen, ist ein edles Unterfangen. Mir macht eher Sorgen, was danach passiert. Im Augenblick gibt es keine Waffen, die man vom Weltraum aus auf die Erde abfeuern kann. Eigentlich gibt es überhaupt keine Waffen im Weltraum, weil momentan niemand dort Krieg führt. Aber das ist das Problem mit Unternehmern wie Elon Musk: Sie machen sich so viele Gedanken über die Zukunft, ohne einen von ihnen auch mal zu Ende zu denken. Und sie haben in der Regel wenig Skrupel, ihre Dienste – oder ihre cleveren Satelliten – an den Meistbietenden zu verkaufen.

In diesem Sinne: Auf die nächsten vier Jahre. Wenn wir sie denn überleben.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

Kommentare

Bild des Benutzers andreas10

Musk ist ein Gräuel.

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