25. August 2021

„Red Pill“ von Hari Kunzru

Paranoia in Prosa: Der neue Roman des Autors von „Götter ohne Menschen“

Lesezeit: 2 min.

Red Pill“ heißt der neue Roman von Autor Hari Kunzru, und natürlich ist der Titel eine Anspielung auf „Matrix“. Aber sollten Lesende die Pille schlucken und Kunzru in seine verrückte, verstörende Geschichte folgen, die einen stellenweise an Philip K. Dick, Heinrich Steinfest und Weird Fiction denken lässt?

Kunzru, 1969 in London geboren, kennt man für Bücher wie „Götter ohne Menschen“ und „White Tears“, in denen es schon mal um einen UFO-Kult gehen konnte. Sein aktuellster Roman wurde von Kunzrus Aufenthalt als Fellow an der American Academy in Berlin (2016) inspiriert. Allerdings ist das fiktive Deuter-Zentrum am Wannsee in „Red Pill“ wesentlich krasser. Es treibt einen Schriftsteller aus New York, dessen Stipendium in Berlin seine Ehe retten soll, letztlich immer mehr in die Paranoia, weil man im altehrwürdigen Institut Transparenz mit Überwachung gleichsetzt. Also irrlichtert der Autor lieber durchs winterliche Berlin, anstatt im Gemeinschaftsraum zu schreiben, verliert sich in Gedanken zu Lyrikern wie Heinrich von Kleist, Diskussionen mit anderen, teils unangenehmen Deuter-Gästen und im Bingen einer brutalen Cop-Fernsehserie, die an das grandiose „The Shield“ erinnert – auf einer Party trifft er später sogar den Macher der Serie und springt von hier aus in die nächste seltsame Windung dieses Romans. Außerdem erzählt unserem paranoiden Autor eine Putzfrau von ihrer Zeit als Punk in der DDR sowie in den Fängen der Stasi …

Ein kohärenter Roman liest sich anders, doch profitiert „Red Pill“ von Kunzrus großem erzählerischen Vermögen. Egal wie schräg, speziell, verrückt und fragmentiert es wird, eigentlich lohnt es sich immer, die Prosa-Pille zu schlucken, die Kunzro einem anbietet. Dafür muss man nicht mal das Deutungs-Puzzle des internationalen Feuilletons mitspielen, in Folge dessen „Red Pill“ – sicher nicht zu unrecht – als Spiegel unserer aufreibenden, zersplitterten und allessehenden Gegenwart interpretiert wird.

Hari Kunzru: Red Pill • Liebeskind, München 2021 • 352 Seiten • Hardcover: 22 Euro

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