20. September 2017 2 Likes

Expressionistische Utopien

Der Martin-Gropius-Bau zeigt das visionäre Werk von Wenzel Hablik

Lesezeit: 2 min.

Immer wieder spannend ist es, Beschreibungen und vor allem Bilder von einstigen Zukunftsvisionen mit der Realität abzugleichen. Betrachtet man etwa die Zeichnungen und Gemälde von Wenzel Hablik – dem der Berliner Gropius Bau bis Mitte Januar eine große Ausstellung widmet – Entwürfe von Hochhäusern und Wohnsiedlungen, muten die aufeinandergestapelten Kuben, die in die Luft ragenden Bauten nicht mehr futuristisch an, sondern wie eine auch schon vergangene Realität des Bauens.

In den Zehner und Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts aber, als der schon 1934 im Alter von nur 51 Jahren verstorbene Hablik seine intensivste Schaffensperiode erlebte, müssen diese Entwürfe wagemutig, visionär, ja, utopisch gewirkt haben. Gebaut wurden sie allerdings nie, blieben Entwürfe und Ideen, die zwar bei Zeitgenossen wie dem Bauhaus-Architekten Bruno Taut Anklang fanden, aber für die Realität doch wohl zu ungewöhnlich waren.

Vielleicht war aber gerade die Tatsache, dass Hablik nicht wirklich als Architekt arbeitete, sondern ein Künstler war, dessen Phantasie keine Grenzen des Möglichen einhalten musste, der Grund für seine visionären Entwürfe. Beeinflusst vom Geist der Romantik, vom Glaube an die Schaffenskraft des Menschen, der sich mit den rasant wachsenden Möglichkeiten des Industriezeitalters zu nie gekannter Größe erheben könnte, imaginierte Hablik eine utopische Welt. Im Einklang mit der Natur sollte der Mensch leben, in aus Kristallen geformten Bauten auf hohen Bergen, in einer idealisierten Welt.

Es überrascht dann wenig, dass Hablik sein berühmtes, aus 20 utopischen Zeichnung bestehendes Hauptwerk Schaffende Kräfte mit Zitaten aus Nietzsches Zarathustra versah, denn der Gedanke vom Übermenschen scheint bei Hablik nie weit entfernt. Manche seiner Entwürfe scheinen in ihren enormen Dimensionen, die den Mensch nur noch als winzigen Teil einer Masse erscheinen lassen, nah an der Architektur der Macht, die einige Jahre später Albert Speer entwerfen sollte.

Hablik, dessen Stil, dessen utopische, vom Glauben an die Menschheit geprägten Entwürfe sich erstaunlicherweise auch während und nach dem Ersten Weltkrieg nicht veränderten, scheint zwar frei von Anklängen faschistischen Denkens gewesen zu sein. Doch die Nähe seiner utopischen Visionen zu den dystopischen, zerstörerischen mancher Zeitgenossen, die sich auf die selben Ursprünge berufen, verblüfft. Neben manchem anderen zeigt diese Ausstellungen dadurch, wie offen die Möglichkeiten des Denkens und damit der Geschichte Anfang des 20. Jahrhunderts waren. Welchen Weg die Menschheit dann schließlich einschlug, wie aus Utopien Dystopien wurden, das ist eine andere Geschichte.

Wenzel Hablik – Expressionistische Utopien, Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 14. Januar 2018

Bilder © Wenzel-Hablik-Stiftung, Itzehoe

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