13. Oktober 2018 2 Likes

Für die Vitrine!

„Der wilde Planet“: Zeichentrick-Klassiker in Edel-Edition

Lesezeit: 3 min.

Es ist schon verrückt: Während andere Länder bereits ab Ende der 1990er in den Genuss diverser digitaler Veröffentlichungen des europäischen Science-Fiction-Trickfilm-Klassikers „Der wilde Planet“ gekommen sind, ist es bei uns erst jetzt soweit, dafür aber schlägt Camera Obscura mit einem schicken, mit Extras voll gepackten Mediabook so richtig zu.

Der Legetrickfilm (es handelt sich um eine Animationstechnik, bei der mit statischen Figuren, die etwas an Hampelmänner erinnern, gearbeitet wird) erzählt von den Draags, blaue, hünenhafte Riesen, die auf dem Planeten Ygam eine technologisch und spirituell hoch entwickelte Gesellschaft gegründet haben. Aber die Draags bewohnen den Planeten nicht alleine. Versehentlich wurden die winzigen, Oms genannte Menschen vom Planeten Terra mitgebracht, die nun von den blauen Riesen unterjocht werden. Als Draag-Kinder ein Om-Weibchen töten, tauft das Draag-Mädchen Tiwa deren Baby auf den Namen Terr und beschließt, es als eine Art Haustier großzuziehen. Doch Terr eignet sich im Laufe der Jahre durch das Leben bei seiner Besitzerin viel Wissen an und plant eines Tages seine in der Wildnis lebenden Artgenossen in eine Revolte gegen die übermächtigen Herrscher zu führen…

Die Geschichte basiert auf den Roman „Oms en série“ des französischen Science-Fiction-Autoren Stefan Wul (echter Name: Pierre Pairault), der eigentlich Zahnarzt war, aber eine innige Liebe zur Science-Fiction hegte. Über Frankreichs Grenzen wurde er allerdings nur dank der Kino-Adaption von René Laloux bekannt, der 1982 ebenso Wuls Roman „L’Orphelin de Perdide“ in Form des Zeichentrickfilms „Les Maîtres du temps“ (bei uns als „Herrscher der Zeit“ auf diversen halbseidenen Ramsch-Veröffentlichungen zu haben) auf die Leinwand hievte. Für das Drehbuch zeichneten sich Laloux und der große Allrounder-Surrealist Roland Topor verantwortlich, der weiterhin am Design des Projekts beteiligt war.

„Der wilde Planet“ stammt aus der Blütezeit des psychedelischen Trickfilms und schafft dabei den Spagat enorm kunstvoll – die abstrakten, fantasievollen und farbenprächtigen Bilderwelten, die sich einem hier offenbaren, muss man einfach gesehen haben und wird man so schnell auch nicht mehr vergessen – und gleichzeitig sehr zugänglich zu sein, denn die zwar mit schrägen Einfällen gewürzte, aber gradlinige Erzählung entpuppt sich als charmant-hippieske Fabel, die voller Optimismus einen Traum von einem besseren und vor allem gemeinschaftlich gelebten Morgen träumt. Eine vielleicht naiv erscheinende Utopie, aber eine Utopie, an die man trotzdem immer und jederzeit von ganzen Herzen glauben sollte.

(Einen ähnlichen Vibe durchweht übrigens Luc Bessons grandiosen „Valerian – Die Stadt der 1000 Planeten“ von 2017, der sich auf eine gewisse Weise durchaus für ein Double Feature empfiehlt.)

Jedenfalls ein wunderschöner, zeitloser Klassiker, den man unbedingt im Schrank stehen haben sollte und die nun erhältliche Edition ist tatsächlich absolut schrankwürdig: Der Film liegt in zwei Versionen (Farbkorrektur von 2016 und 2018) vor, zudem gibt’s vier tolle Kurzfilme von Laloux (darunter die ersten beiden Zusammenarbeiten mit Topor). In der 25minütigen Featurette „Laloux Sauvage“ gibt der Regisseur Auskunft über seine Arbeit und seine Freundschaft zu Topor, und in der 60minütige Dokumentation „Topors Täume“ inszeniert sich dieser einen Tick zu betont als über den Wolken wandelnder Künstler. Der englische Trailer und ein nettes Booklet mit einem Essay runden das Paket ab.

Mit Sicherheit eine der besten Veröffentlichungen 2018 für Science-Fiction-Fans absolute Pflichtanschaffung!

„Der wilde Planet“ ist gerade bei Camera Obscura erschienen.

Der fantastische Planet (Frankreich, Tschechoslowakei 1973) • Regie: René Laloux • Sprecher (Originalversion): Jennifer Drake, Eric Baugin, Jean Topart, Jean Valmont, Sylvie Lenoir, Michèle Cahan, Yves Barsacq, Hubert de Lapparent, Gérard Hernandez, Claude Joseph

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