14. Juli 2019 1 Likes

Mondbeben

„Drachenmond“: Der finale Roman von Ian McDonalds „Luna“-Trilogie

Lesezeit: 3 min.

Ian McDonald (im Shop) gehört zu den besten Science-Fiction-Autoren seiner Generation und unserer Zeit. Mit „Drachenmond“, dem packenden Abschlussband seiner überragenden „Luna“-Trilogie, stellt er das gerade wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis.

Die Zeiten, da der kolonialisierte und industrialisierte Mond die Erde mit Energie versorgt, neigen sich dem Ende entgegen. Der brutale Machtkampf zwischen den großen Mondfamilien – den Drachen – hat alle Mitspieler in diesem lunaren Game of Thrones schwer gezeichnet, tiefe Wunden hinterlassen. Deshalb hören die durch Hass verbundenen Dynastien um die Cortas aus Brasilien, die Mackenzies aus Australien und die Suns aus China allerdings nicht mit ihren Intrigen und Kriegen auf. Doch im dritten Band werden sowohl die Erde als auch die unabhängige, aus Gelehrten und Kriegern bestehende Universität von der Rückseite des Mondes zu wichtigen Aktivposten, wenn sich das Schicksal und die Zukunft des Mondes in einem letzten großen Beben innerhalb der alten Ordnung entscheiden. Die Frage ist nur: Wer bestimmt über diese Zukunft und die nächste Ära?

Nachdem der 1960 in England geborene, heute in Nordirland lebende Ian McDonald bereits im ersten Roman „Luna“ sein komplexes, überzeugendes Mondsetting installierte und in „Luna – Wolfsmond“ weiter ausbaute, muss er sich im finalen Buch nicht mehr groß mit Worldbuilding aufhalten. Seine Leser wissen, dass auf dem Mond alles aus dem 3D-Drucker kommt, ob die Klamotten im Stil der 40er oder ein Großteil des Essens; dass Luft und Wasser kostbare Güter sind; dass die Einstellung zu Liebe und Sex auf dem Mond absolut liberal ist; und dass alles, aber auch wirklich alles auf dem lebensfeindlichen Erdtrabanten mit Abmachungen, Verträgen und Gerichtsprozessen geregelt werden kann – zur Not mit einem archaischen, aber legitimen Messerduell zweier ernannter Champions im Gerichtssaal. McDonald geht daher von Anfang an in die Vollen. Dabei setzt er für das Finale seines Science-Fiction-Epos auf eine gute Mischung: Große und „kleine“ Szenen ergeben ein stimmiges Szenario und einen würdigen, krönenden Abschlussband, in dem wieder voller Inbrunst geliebt, gehasst, geschachert, gebangt, geweint und gekämpft wird.

McDonald nutzt alles, was seine Vision des kolonialisierten Mondes zu bieten und was er als Schriftsteller aufzufahren hat: Blutige Kämpfe mit Schutzanzügen und Kampfbots auf der gefährlichen Mondoberfläche, juristische Winkelzüge, Leidenschaft und Verrat, Rohstoffreichtum und Rohstoffmangel, Mondmystik, sein interessantes Ensemble und viele Details und Eigenheiten der lunaren Gesellschaft. Dazu kommt, dass McDonald ein großartiger Stilist ist und das zum Glück nie versteckt. Seine Schreibe liegt weit über dem Durchschnitt – anspruchsvoll, kantig, pulsierend, kraftvoll, vollmundig. Damit passt sie bestens zur Komplexität des Hintergrunds, der Figuren und des Plots. Jeder Satz in „Drachenmond“ ist ein gehobener Genuss und viel mehr, als nur der Transport von Handlung. Höchste Zeit, an dieser Stelle auch mal Friedrich Maders Leistung als Übersetzer der „Luna“-Trilogie zu würdigen.

Mit seiner „Luna“-Serie macht sich Ian McDonald in Sachen Science-Fiction zum Herrscher über den Mond, den er ungeachtet aller Mars-Träume wieder mit Relevanz und Leben füllte. Drücken wir die Daumen, dass das mit der angedachten Adaption von „Luna“ im Fernsehen klappt – verdient hätten es Autor und Stoff allemal.

Ian McDonald: Luna – Drachenmond • Aus dem Englischen von Friedrich Mader • Heyne, München 2019 • 575 Seiten • E-Book: 12,99 Euro (im Shop)

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