6. November 2019

Auf Teslas finsteren Spuren

„Close To The Sun“ vermengt Wissenschaft und Art Déco zu einem gruseligen Adventure-Trip

Lesezeit: 5 min.

Schon seit Mai für PC erhältlich, schlägt Close To The Sun nun seit ein paar Tagen seine Zelte auch auf allen gängigen Konsolen auf. In Ego-Perspektive begeben wir uns als Journalistin Rose Archer um die vorletzte Jahrhundertwende auf die Suche nach unserer genialen Schwester Ada. Die ambitionierte Physikerin hat sich nämlich den – zumindest in der Theorie – bahnbrechenden Visionen des Elektrizitätsforschers Nikola Tesla angeschlossen, dessen Ansinnen darauf abzielt, der Menschheit unbegrenzten frei zugänglichen Strom zu schenken. Aus Angst vor seinem ärgsten Konkurrenten Thomas Edinson, mit dem sich Tesla einen regelrechten Forscherkrieg mit allen dazugehörigen Bandagen führt, verlagerte Tesla seine Arbeit auf das gigantische, eigens zu diesem Zweck gebaute Forschungsschiff Helios, um dort nicht von Edinson und Co. ausspioniert werden zu können.

Doch irgendetwas muss an Bord dennoch gnadenlos schiefgelaufen sein, denn Rose erhält einen Brief von Ada, der nichts Gutes verheißt und die engagierte Reporterin dazu verleitet, sich allein auf das Schiff zu begeben, um ihre Schwester zu retten. Kurz nach ihrer Ankunft schließen sich die Pforten ohne eine Chance auf Umkehr und in den dunklen Räumlichkeiten des von Leichen gepflasterten Schiffs muss die wehrlose Frau bald erkennen, dass sie ins Visier herumschleichender Irrer, surrealer Anomalien und sogar seltsamer Wesen gerät. In dieser gefährlich undurchsichtigen Situation herauszufinden, was mit Ada und dem Rest der Besatzung passiert ist, markiert das Herzstück der in 10 Kapitel aufgeteilten Story, die man auch als nicht gestählter Genreexperte in gut 6-7 Stunden komplett durchziehen kann.

Die Helios unterteilt sich in mehrere Bereiche, die wir entsprechend der vorgegebenen Kapitelstruktur abklappern. So ergibt sich eine zwar scheinbar umfangreiche, jedoch nicht frei begehbare Spielwelt, deren einzelne Areale somit immer überschaubar bleiben. Hat man nach einem Mini-Präludium die Hallen des Schiffs erreicht, fühlt man sich vor allem als Kenner der beliebten wie bahnbrechenden Bioshock-Reihe sofort an dessen eigenwillig schwarzromantischen Art Déco-Stil erinnert. Das edel ausgestattete und in seinem Design eng mit Teslas utopischen Ideen sowie seiner offenkundigen Selbstherrlichkeit verknüpfte Interieur verströmt eine ähnlich betörende, weil verstörende Sogkraft wie seinerzeit die Unterwasserstadt Rapture, die ebenfalls mit grafisch schnittigen Details und einer darauf präzise abgestimmten Lichtstimmung aufwartete.

Wer sich mit Rose genauer in den Räumlichkeiten hinschaut, findet überall Zeitungsartikel, Briefe, Bilder oder andere Setpieces, die der von Anfang an bestechend dichten Atmosphäre von Close To The Sun weitere, wenn auch gefühlt etwas zu wenige Nuancen verabreichen. Hinzukommt, dass es sich bei Tesla (der ebenfalls selbst im Spiel auftaucht) um eine reale Persönlichkeit der Zeitgeschichte handelt, deren Wirken im Verlauf der Kampagne – wenn auch unter den fiktiven Vorzeichen eines Horrorspiels – einige spannende Facetten abgerungen werden, die allerdings in ihrer wissenschaftlichen Komplexität natürlich niemanden geistig überfordern.

In Sachen Gameplay hören die Parallelen zum Shooter Bioshock allerdings schnell auf. Die noch eher unbefleckten Entwickler von Storm in a Teacup setzen bei Close To The Sun auf klassische Adventure-Kost aus Rätseln gepaart mit einigen Versteck- und Fluchtpassagen, die man so auch aus anderen Horror-Titeln jüngeren Datums wie der Outlast-Reihe kennt. Das bedeutet, dass wir uns unserer Angreifer nicht mit Waffen oder ähnlichem Handwerkszeug entledigen können, sondern an ihnen vorbeischleichen, uns hinter umgestürzten Möbeln verstecken oder nach festen Pfaden die Flucht ergreifen müssen. Beide Mechaniken kommen jedoch nicht ständig zum Einsatz und wechseln sich dezent ab.

Speziell die Szenen, in denen wir obligatorisch die Beine in die Hand nehmen müssen, sind klar vom Spielverlauf vorgegeben und erfordern von uns in Sekundenschnelle eine Entscheidung für oder gegen bestimmte Richtungen. Da uns der korrekte Ausweg nur über subtile Hinweise wie die Beleuchtung oder vor uns aufgetürmte Hindernisse angezeigt werden, kann es hierbei zu einigen unschönen Toden kommen, die mit einer blutigen Cutscene untermalt werden. Dank automatischer Speicherfunktion, versetzt uns das Spiel jedoch angenehmerweise unmittelbar an den Ausgangspunkt der Jagd zurück und so müssen wir keine langen Wege in Kauf nehmen.

Während die manchmal leider in ein Try-and-Error ausartenden Speedruns nerven können und die eigentlich nicht besonders schlauen Gegner in den Versteck-Phasen dann und wann auch mal wie aus dem Nichts auftauchen, um uns sofort ins Nirvana zu befördern, gestalten sich die Rätsel im Kontrast dazu betont ruhig und in ihrem Niveau bis auf wenige Ausnahmen überschaubar. Meist müssen Schlüsselkarten gefunden und kleinere Schalterrätsel gelöst werden, aber auch umfangreichere Aufgaben wie die Interpretation von Gedichten zur Lösung von Codes stehen auf dem Programm.

Technisch macht das Ergebnis in der hier getesteten PS4-Fassung wie schon auf PC eine solide Figur. Zwar darf man keine Highend-Grafik erwarten, doch das Grundkonzept inklusive des düsteren Horroransatzes und gelungener Lichtstimmungen geht reibungslos auf. Das trifft ebenso auf die Performance zu, bei der man außer den verschmerzbaren Ladezeiten zwischen den Kapiteln und kleineren Objektnachladern keine gravierenden Bugs oder andere unschöne Unsauberkeiten erwarten muss. Die professionellen (englischen/deutschen) Sprecher machen in den zahlreichen Dialogen einen guten Job und die Steuerung kommt trotz einer gewissen Trägheit nicht ins Schleudern.

Nur das etwas fummelige Anklicken von Gegenständen kostet manchmal ebenfalls Nerven, da man die Kamera umständlich feinjustieren muss, um ein Objekt selbst direkt vor uns tatsächlich via Button manipulieren zu können. Auch der Sound bewegt sich nicht auf der Höhe vergleichbarer Titel. Die Kulisse fällt nämlich leider trotz des Horroransatzes fast schon bedächtig leise aus und fällt somit kaum auf. Dies macht sich besonders in den nicht immer punktgenau sitzenden Jump Scares bemerkbar, denen es – wie den Gegnern – an der nötigen Wucht und Präsenz fehlt, um uns wirklich einen Schauer über den Rücken zu jagen. Kein Vergleich zum geradezu dauerpanischen Outlast, welches Spieler nicht nur in Sachen Gegnerdesign und Aggressivität bekanntermaßen kaum zur Ruhe kommen lässt.

Insgesamt hinterlässt Close To The Sun daher einen zwiespältigen Eindruck. Das Leveldesign ist sehr schlauchig geraten. Heißt: Wir fühlen uns wie an einer Schnur durch die streng vorgegebene Architektur voller Korridore und Barrikaden gezogen, ohne viel Entdeckerfreiheit zu genießen. Außerdem haben es Storm in a Teacup versäumt, neben mehr Abwechslung auch genügend Substanz aus der Wissenschaftsthematik herauszuholen, die uns stärker an das Geschehen um Tesla bindet. Da reicht es nicht, uns mit kleineren Sammelitems wie Blaupausen abzuspeisen. Als Sahnehäubchen oben drauf, servieren uns die Macher zum Finale noch einen zwar spannenden, aber eben sehr fiesen Cliffhanger für eine Fortsetzung, die es dann hoffentlich tatsächlich gibt. Denn wer auf stringent arrangierte, nicht zu anspruchsvolle und insgesamt immerhin sehr schnittig designte Adventures mit Horror-Ambiente steht, erhält mit Close To The Sun einen zumindest ordentlichen Spielehappen für ein paar launige Abende.

Fazit

Designtechnisch fesselndes Horror-Adventure, dem leider erzählerisch wie spielerisch der letzte Schliff fehlt, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben.

Close To The Sun • Storm in a Teacup/Wired Productions • Horror-Adventure/Walking Simulator • PS4/ Xbox One/ Switch / PC

Abb. © Storm in a Teacup/Wired Productions

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.