20. November 2019 1 Likes

Von Wandel und Wahnsinn

„Bit Rot“: Gedanken und Geschichten von Douglas Coupland („Generation X“)

Lesezeit: 2 min.

Vor Kurzem lief in einem TV-Wissensmagazin ein Beitrag, der die Generation Z definierte: nach 1996 geboren und die ersten, die vollvernetzt mit Smartphones und Sozialen Medien aufwuchsen, Aufmerksamkeitsspanne acht Sekunden. Ich fragte mich, wie wir in fünfzehn Jahren die nächste Altersgruppe nennen mögen, und dachte außerdem an den kanadischen Autor und Künstler Douglas Coupland, der 1991 mit seinem Episodenroman „Generation X“ über die erste Internetgeneration den aus der Soziologie entlehnten Begriff massentauglich machte. Gutes Timing: Beim Aufbau-Imprint Blumenbar ist gerade Couplands neues Buch „Bit Rot“ auf Deutsch erschienen.

Bit Rot bezeichnet eigentlich die Verschlechterung und Zersetzung digital archivierter Daten, was Coupland als passende Analogie für die Veränderung des menschlichen Gehirns und seiner Denkprozesse im Angesichts des technologisch befeuerten 21. Jahrhunderts sieht – und 2015 zum Titel einer seiner Kunstausstellungen und schließlich seines Buches machte. In diesem finden sich Kurzgeschichten und Kolumnenartikel des 1961 auf einem NATO-Stützpunkt in Deutschland geborenen Coupland, der früher als Journalist arbeitete. Das Multitalent aus Vancouver ist ein versierter Beobachter und Analytiker unserer überdigitalisierten und überglobalisierten, futuristisch anmutenden Gegenwart. Dabei vereint Coupland als Autor Merkmale und Qualitäten von William Gibson, Cory Doctorow und Chuck Palahniuk. In seinen Kolumnen aus der „Financial Times“ etwa beschäftigt er sich mit Drohnen, der Datensammlung, künstlicher Intuition, Drogen, Sex im Zeitalter des Internet-Datings, Geld, Homogenisierung, dem Arbeitsmarkt, Warhol, Selfies, der Evolution des Fernsehens sowie der Netzpolitik.


Douglas Coupland. Foto: Wikipedia

Ein Großteil der Kurzgeschichten, die zwischen die Sachtexte eingestreut sind, stammen aus Couplands Zukunftsroman „Generation A“ von 2009, wo sie noch in eine Rahmenhandlung über u. a. das Bienensterben eingearbeitet waren – schräg und scharfkantig sind sie noch heute, so zwingend wie die Story über Yoda und Superman aber nur selten (nicht mal, wenn man seit Jahren regelmäßig in Palahniuks Fight Club trainiert). Zum Stimmungsbild der Sammlung, in der Coupland auf unterhaltsame Weise unsere Moderne ins Visier nimmt, tragen sie jedoch allemal bei. An der Front fiktiver Texte ist das Highlight des Bandes sicher die herrlich überzogene Fortsetzungsgeschichte über eine Zeitarbeitskraft, die der Kanadier 2013 für die Ausgaben der internationalen Bahnhofszeitung „Metro“ verfasste. Doch ob experimentell aneinandergereihte Gedankenfragmente, sprunghafte Beobachtungen, knackige Essays oder seltsame Kurzgeschichten über Aliens, Zeitmaschinen, Killersekten und eine rundherum fortschrittliche, seltsame Welt – Douglas Coupland ist einer dieser Autoren, von denen man letztlich alles lesen würde.

„Bit Rot“ ist daher eine gute Coupland-Compilation, die unsere vom Wandel gezeichneten Gehirne der Moderne zu triggern vermag. Selbst wenn man vorher noch nie etwas von Coupland gelesen haben sollte. Ja, ihr seid gemeint, Generation Z …

Douglas Coupland: Bit Rot – Berichte aus der sich auflösenden Welt • Blumenbar, Berlin 2019 • 253 Seiten • Hardcover: 24 Euro

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