3. März 2020

Der Mann aus Chrom

Dennis E. Taylors neuer Roman „Die Singularitätsfalle“

Lesezeit: 3 min.

In seiner Romanserie um „Ich bin viele“ schickte der kanadische Softwareprogrammierer und Science-Fiction-Autor Dennis E. Taylor (im Shop) das in eine künstliche Intelligenz verwandelte Bewusstsein von Bob Johansson ins All, um als KI von Sonden und anderem Planeten zu kolonialisieren und gegen Aliens zu kämpfen. Mit „Die Singularitätsfalle“ (im Shop) legt Taylor nun einen neuen, allerdings eigenständigen SF-Roman vor.

Der beginnt wie ein hübsch-altmodisches Weltraumabenteuer: Weil durch den Klimawandel Platz-, Job- und Geldmangel auf der Erde herrschen, verpflichtet sich der Computerexperte Ivan Pritchard Anfang des 22. Jahrhunderts als Asteroidenbergmann und reist für die Zukunft seiner Familie ins All. Den ersten aufregenden Abschnitt von Ivans Reise beschreibt Taylor so, dass man sich selbst wie ein Frischling unter Spacer-Bergleuten fühlt und die einschüchternden Rahmenbedingungen des Weltraums förmlich spüren kann. Später wird Ivan bei der Erkundung eines Asteroiden von einer außerirdischen Technologie infiziert, die seit langer Zeit als Singularitätsfalle auf einen weit genug entwickelten Wirt vom blauen Planeten wartete. Das flüssige metallische Material wandert Ivans Arm hinauf, übernimmt immer mehr von seinem Körper und verwandelt ihn nach und nach in einen Mann aus Chrom.


Dennis E. Taylor

Ivan und der Rest seiner Mannschaft werden auf einer Raumstation unter Quarantäne gestellt, und die Reaktion der Behörden auf ein unbekanntes außerirdisches Seuchenszenario hat in diesen aufwühlenden Zeiten von Corona/COVID-19 natürlich noch mal eine ganz eigene Aktualität und Eindringlichkeit. Während sich die Top-Militärs im Angesicht der eventuellen Bedrohung aus dem All ansonsten so verhalten, wie man das erwartet und aus anderen Geschichten kennt, verwandelt Taylor seinen Roman in eine durchaus erfrischende und interessante Erstkontaktgeschichte, da der Leser und Ivan mehr und mehr über dessen Symbiose erfahren, die mit einem uralten galaktischen Krieg nichtmenschlichen Lebens zu tun hat.

Schließlich ist es auch in diesem Buch Zeit für den „Taylor-Trick“, wenn der kanadische Autor das Bewusstsein eines einstmals normalen Menschen so mit futuristischer, in diesem Fall sogar außerirdischer Technologie verschmelzen und seinen Protagonisten in einem Cyberpunk/Space Opera-Mix die Galaxie bereisen lässt. Letztlich entdeckt Ivan, dass er als Mann aus Chrom so einige Kräfte hat, und so findet man in „Die Singularitätsfalle“ plötzlich Elemente einer kosmischen Superhelden-Origin – klar, Mann aus Stahl, Mann aus Chrom. Und da es um die Rettung der Menschheit geht …

Dennis E. Taylor gelingt so ein kurzweiliger SF-Einzelroman für Zwischendurch, der ungeachtet einiger Hard-SF-Gedanken für Jedermann zugänglich ist und Taylors Fans trotz des neuen Settings alles gibt, was sie an seinen bisherigen Werken schätzten. Im August erscheint mit „Outland – Der geheime Planet“ (im Shop) übrigens schon Taylors nächster Roman, bei dem es sich dann wieder um den Auftakt zu einer Serie handelt. Es scheint, als seien die deutschsprachigen SF-Leser längst in die Taylor-Falle getappt.

Ein Interview mit Dennis E. Taylor gibt es hier.

Dennis E. Taylor: Die Singularitätsfalle • Aus dem Englischen von Urban Hofstetter • Heyne, München 2020 • 495 Seiten • E-Book: 11,99 Euro • Leseprobe

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