2. Mai 2020 2 Likes

You want STARS?

Leichte Enttäuschung auf hohem Niveau: Das Remake von „Resident Evil 3“ im Test

Lesezeit: 7 min.

Ganz klar: Im letzten Jahr kam kein Horrorfan am genialen Remake von Resident Evil 2 vorbei. War schon der zuvor erschienene siebte Teil, der tatsächlich eine Art Reboot markierte, bereits die von vielen Jüngern lang ersehnte Rückbesinnung auf das, was Resident Evil einst groß gemacht hatte (echter Horror mit dosierter Action), so stellte Resident Evil 2 Remake u.a. schon ob seiner feinen Technik und einer top Balance zwischen Tradition und Moderne einen unwiderstehlichen Meilenstein dar – für mich sogar das Spiel des Jahres (hier nochmal unser Test). Da die Kassen bei Capcom entsprechend üppig klingelten und es für finanzbewusste Chefetagen natürlich nichts Verlockenderes gibt, als eine Erfolgskuh einfach weiter zu melken, brachte Capcom gerade mal etwas mehr als ein Jahr später bereits das nächste Remake auf den Markt, nämlich folgerichtig das zu Resident Evil 3 (seit Anfang April für PS4, Xbox One und PC).

Wer sich allerdings mit der Reihe auskennt, durfte mit dieser Ankündigung schon etwas skeptischer umgegangen sein als beim zweiten Ableger. Immerhin legte Teil 3 konsequent den Fokus auf mehr Daueraction und Terror, wohingegen sich der eher schleichende Horror oder die trashig kruden Rätseleinlagen früherer Tage verabschiedeten. Das Katz-und-Maus-Gameplay basierte nun auf einer monströsen Biowaffe namens Nemesis, die unsere beiden spielbaren Avatare Jill und Carlos fast permanent durch den Zombiealptraum von Raccoon City verfolgt und bis zum Finale der eher knappen Kampagne nicht dauerhaft aufgehalten werden kann. Zwar servierte Capcom diese Spezialität bereits in Ansätzen in Teil 2, trieb das Prinzip aber mit Nemesis und dessen Bewaffnung auf die Spitze – so sehr, dass manche Spieler sicher genervt auf Nemesis zurückblicken; wobei die legendär sperrige „Panzersteuerung“ der früheren RE-Ableger maßgeblich ihren Teil zum Frusterlebnis beitrug. So oder so: Der beliebteste Ableger war der dritte RE-Streich auf jeden Fall nicht.

Von schlechter Steuerung oder detailarmer Klotzgrafik ist gut 20 Jahre nach dem Original natürlich nichts mehr zu spüren. Wie schon beim Remake zum zweiten Teil, holen die Macher grafisch aus der RE-Engine viel (wenn nicht gar alles) heraus und nehmen sich dazu die Freiheit, auch bei Story und Inszenierung angenehm frei mit dem Ausgangsmaterial umzugehen. Wer also das Original kennt, darf sich über frische Szenen und damals nicht verwendete Abschnitte freuen. Gut so! Die Storyprämisse bleibt aber natürlich gleich: Noch immer erleben wir zeitgleich zu den Ereignissen um Leon und Claire in Teil 2, wie Agentin Jill Valentin (ihres Zeichens Mitglied der Elitetruppe STARS) versucht, aus dem Inferno von Raccoon City zu entkommen. Dabei trifft sie auf eine Gruppe von Söldnern, die in Diensten der Umbrella Corporation stehen, welche bekanntermaßen für alles Übel in der Stadt verantwortlich zeichnet.

Zu ihnen gehört auch der etwas klischeehaft aufgeblasene Soldat Carlos Oliviera, der sich im Gegensatz zu seinen Kameraden im Verlauf der Flucht mit Jill zu einem Team zusammenschweißt und für die Hauptheldin sogar zum Lebensretter avanciert. Erschwert wird ihre von mutierten Kampfhunden, Zombies, Spinnen und sogar Gambas ohnehin nicht gerade leichte Mission vom aggressiven und für seine Größe äußerst agilen Übermonster Nemesis, der immer wieder scheinbar spontan auf der Bildfläche erscheint, um mit Flammenwerfer, Tentakeln oder einfach nur seiner puren Kraft gezielt Jill in ihrer Funktion als STARS-Mitglied das Lebenslicht auszublasen – mehrfache Bossduelle inklusive.

Um gleich eine der größten Vorzüge des Remakes auf den Punkt zu bringen: Technisch hat Capcom auch diesmal wieder das ganz feine Besteck herausgeholt und verwöhnt uns mit atmosphärischen Licht-Schatten-Kontrasten, knackigen Texturen, flüssiger Performance praktisch ohne Ladezeiten innerhalb der Areale und glaubhaften Charaktermodellen. Wenn die Untoten auf uns zu schlurfen, hat man trotz einiger recycelter Settings wie der Polizeistation sogar noch mehr als bei Teil 2 das Gefühl, stets einem schaurig schönen Individuum zu begegnen. Storytechnisch kann man ebenso mehr Lob als Tadel verteilen. Die Macher haben es verstanden, das natürlich immer noch hanebüchen trashige Storytelling mitsamt all seiner hohlen Charakterhülsen zeitgemäß zu arrangieren und speziell Jill in einigen Szenen (wie etwa gleich zu Beginn in ihrem Appartement) eine für RE-Verhältnisse ungewohnte Subtilität spendiert zu haben, die sie uns sichtlich näherbringt.

Dieses Händchen ging den Entwicklern leider im Umgang mit Fiesling Nemesis weitgehend verloren, der sich zwar in geschickt platzierten Skript-Events plötzlich ins Geschehen drängen und unseren Adrenalinpegel in die Höhe treiben darf, allerdings insgesamt weit weniger bedrohlich anmutet als er stets hinter uns herstapfende Mr. X aus Teil 2. Mit Ausnahme weniger Passagen lässt uns Nemesis merkwürdigerweise die meiste Zeit in Ruhe, sodass viel zu selten ein Gefühl echter Bedrohung aufkommt. Ist es dann doch mal wieder Zeit für seinen Auftritt, ergeben sich drei Szenarien: Entweder macht er uns auf den Straßen der Stadt mit seinen meist viel zu schnellen Angriffen und Sprüngen das Leben zu schwer, wir müssen in einer vorgegebenen Verfolgersituation fliehen oder das Geschehen zwingt uns in einen Bosskampf gegen das Ungetüm.

Während die Fluchtszenen mittels rasanter Schnitte und Perspektivwechsel einen wuchtigen Kontrast zum restlichen Gameplay bieten, fallen die Bosskämpfe für heutige Standards zu mau aus. Immer nur im möglichst großen Sicherheitsabstand um den mal mit Flammenwerfer oder riesigen Pranken hantierenden Nemesis herumzulaufen und ihm dann und wann mit unserem doch recht umfangreichen Waffenarsenal Blei zu verpassen, lockt schon nach dem zweiten Einsatz nicht mal mehr ein müdes Lächeln hinter dem sprichwörtlichen Ofen hervor. Kurzum: Gerade weil Nemesis eine echte Ikone im RE-Kosmos darstellt, hat Capcom hier bei aller sinnvollen Freiheit zum Original (man denke an den doch sehr drögen Endkampf damals mit der selbst aufladenden Strahlenkanone) leider ordentlich (Grusel-)Potenzial verschenkt.

Das gilt leider auch für die im Blockbuster-Vergleich etwas knappe Kampagne mit gerade einmal 6-7 Stunden Spielzeit. Das ist umso bedauerlicher, da die Handlung selbst mehrfach eindeutige Lücken beim Wechsel zwischen den Figuren Jill und Carlos anzeigt, die man mit mehr Content locker hätte füllen können und es auch an einer A- und B-Variante der Kampagne fehlt wie noch beim zweiten Teil. Zwar dürfen wir uns nach Abschluss in einem Shop mehrere Goodies wie unbegrenzte Munition oder bestimmte Waffen für einen weiteren Durchlauf freischalten, doch für eine echte Prise Zusatzmotivation reicht das nur in begrenztem Umfang.

Gelungen sind aber einige Komfortverfeinerungen. Dazu zählen automatisches Zwischenspeichern, vier ausgewogene Schwierigkeitsgrade, eine einfache Menü- und Inventarführung sowie das Fehlen wirklich frustiger Situationen. Zwar wäre es speziell aufgrund der wesentlich häufigeren Schusswechsel und unserer waffenerprobten Figuren schön gewesen, wenn auch die Zielmechanik unserer Schießeisen zwischen Pistole, Gewehr, Granatwerfer und Maschinengewehr weniger ruckelig ausgefallen wäre, doch das passt letztlich sogar zur Atmosphäre. Die wird im Übrigen auch durch neue, herrlich schaurige Gegner wie eine besonders unangenehm agile Hunter-Klasse bestens unterstützt, wobei das Spiel bei den meisten Feindesklassen mehrere Situationen vorsieht, in denen ein schneller Abzugsfinger ohne Fluchtoption obligatorisch ist.

Insgesamt bleibt also auch beim Remake von Teil 3 die Kontroverse des Originals erhalten. Wer den schon damals fantastischen zweiten Ableger liebte, konnte sich wohl nicht ähnlich stark mit dem Nachfolger erwärmen, wobei man diese Konstellation natürlich umdrehen könnte. Schließlich muss nicht jeder zwingend ein Anhänger von Munitionsknappheit und Survival auf Messers Schneide sein. Wer also auf ein shooterlastiges Monster-Gameplay mit viel Munition und schneller Kanonenauswahl steht, wird mit Teil 3 wahrscheinlich glücklicher als mit den Vorgängern.

Ein paar Worte noch zu Resident Evil Resistance, das als asymmetrischer Multiplayer dem Spiel als Bonus beigefügt wurde. Der hat mit der Kampagne um Jill und Carlos absolut nichts zu tun und versetzt uns entweder in die Position eines perfiden Masterminds oder eines Mitglieds eines Viererteams, welches versuchen muss, aus einem vom Mastermind kontrollierten Areal zu entwischen. Das bedeutet im Fall des Teams, dass man sich einen Charakter mit bestimmten Attributen, Waffen und Fähigkeiten auswählt und dann mit anderen Spielern ein gemeinsam agierendes Team bildet, um den Fallen des Masterminds zu entkommen. Der hat als Einzelspieler die Fähigkeit, u.a. Fallen und verschiedene RE-Monster auf das Team loszulassen, um deren Suche nach Ausgängen, Schlüsseln und anderen Mechanismen zu unterbinden.

Mehrere Maps, Modi und Freispielbares sorgen für leichte Abwechslung, allerdings schafft es Resistance nicht, mehr zu sein als eine nette Dreingabe. Das liegt u.a. am hektischen, wenig inspirierten und nicht sonderlich gut auf Balance zwischen den Figuren und Fraktionen abgestimmten Gameplay. Da weder eine Story erzählt oder eine Bindung zu den Figuren aufgebaut wird, fehlt es dazu an weiterer Motivation. Aber für ein paar Runden ist Resistance durchaus brauchbar und vielleicht legt Capcom ja noch ein wenig Content wie weitere Maps nach.

Fazit

Gut, aber nicht fantastisch: Wie schon beim Original kann auch das Remake nur Horrorfans mit höherer Actionaffinität begeistern. Während gerade Technik und frische Inszenierung überzeugen, verschenkt der Titel bei Umfang, Monster Nemesis und dem Multiplayer Resistance Potenzial.

Resident Evil 3 Remake • Capcom • Survival-Horror • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Capcom

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