10. Februar 2021

„Bliss“ - Mike Cahill dreht eine Art „Matrix“ light

Doch interessante Ideen allein machen noch keinen überzeugenden Film

Lesezeit: 3 min.

„Ignorance is bliss“ heißt es in einer der entscheidensten Szenen des längst legendären Klassikers „The Matrix“, ein einfacher Satz, der dennoch zum philosophischen Kern des Konzepts führt: Wenn man die Wahl zwischen einer realen Welt hat, in der vielleicht Armut herrscht, man unter schweren Bedingungen lebt und einer Phantasie-Welt, in der alles wunderbar ist, von der man aber weiß, dass alle sie bewohnenden Menschen, alle Gegenstände und vor allem auch alle erlebten, gefühlten Emotion irreal sind, wofür würde man sich entscheiden?

Während diese Frage in den „Matrix“-Filmen der Wachowski-Geschwister fast hinter spektakulärer Action verschwand, steht sie in Mike Cahills „Bliss“ im Vordergrund. Allerdings – und das ist vielleicht die Crux des Films – ist die Frage real oder irreal dann doch nicht das Entscheidende, sondern nur eine Metapher für die Abgründe der seit Jahren in Amerika grassierenden Opium-Epidemie.

Welche Schmerzmittel der von Owen Wilson gespielte Grag nimmt, bleibt unklar, doch das er sein Leben nicht mehr im Griff hat, wird schnell deutlich. Statt zu arbeiten, zeichnet er Phantasiebilder eines perfekten Haus und einer wunderschönen Frau, bis sein Boss ihn zu sich ruft und entlässt. Ein kurzes Handgemenge lässt den Boss stürzen, er schlägt sich den Kopf an und ist tot. Zwar gelingt es Greg noch, die Leiche zu verstecken, doch was ihm blüht, scheint klar. Und so lässt er sich auf die mysteriöse Isabel (Salma Hayek) ein, die ihn kurz darauf in seiner Stammkneipe offenbart, dass die Welt in der er lebt, nicht real ist. Nur wenige Menschen – so behauptet Isabel – existieren wirklich, die speziellen Menschen wie Greg, können mit Hilfe eines gelben Kristalls ihre besonderen Fähigkeiten entfalten und Materie manipulieren.

Mit einer gewissen Begeisterung akzeptiert Greg diese Enthüllung, so recht vom Wahrheitsgehalt scheint er jedoch nicht überzeugt. Und so nimmt das Duo eine starke Dosis blauer Pillen und findet sich in einer scheinbar perfekten Welt wieder, in der Roboter banale Arbeit überflüssig gemacht haben und die Menschen sich den schönen Dingen des Lebens widmen können. Das jedoch ein Dauerzustand der Perfektion nicht befriedigend ist, deutet ein hübscher Gastauftritt des slowenischen Pop-Philosophen Slavoj Žižek an, der postuliert, dass die Hölle gar kein so schlechter Ort ist. Fehlt der Kontrast zwischen positivem und negativem Erlebnissen, wie soll man das Positive zu schätzen wissen?

Ob nun Greg, bzw. sein Geist, aus der makellosen Welt in unsere, ziemlich düstere Realität geschickt wurde, um zu erleben, wie sich so eine unperfekte Welt anfühlt, oder er mittels Drogen der einen oder anderen Art aus der Realität flieht und sich in makellosen Träumen verliert, diese Frage beantwortet Cahill nicht eindeutig. Einerseits nur konsequent, andererseits auch ein wenig unbefriedigend, zumal die seinem Konzept zugrundeliegenden philosophischen Fragen nur angedeutet werden.

Viel mehr scheint Cahill die Folgen der Opium-Epidemie zu interessieren, als deren Opfer man Owen Wilsons Figur verstehen darf. Eine gescheiterte Ehe wird angedeutet, eine Tochter, die ihn verzweifelt sucht, aufgegebene Träume, die in der Phantasie doch noch Realität werden. Im Gegensatz zu seinen früheren Filmen „Another World“ und „I Origins“ gelingt es Mike Cahill diesmal jedoch nur bedingt, die Vielzahl interessanter Ansätze zu einem überzeugenden Ganzen zu formen. Zu disparat wirken die Einzelteile, fast aneinander vorbei scheinen Wilson und Hayek oft zu spielen, als wären sie in unterschiedlichen Filmen. Zwei für sich interessante Welten werden in „Bliss“ gezeigt, aus deren Kontrast auf Dauer aber zu wenig Substanz gezogen wird.

Bliss • USA 2021 • Regie: Mike Cahill • Darsteller: Owen Wilson, Salma Hayek • jetzt bei Amazon Prime

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