27. November 2022

„Shuna’s Journey“ von Hayao Miyazaki

Eine wegweisende Bildergeschichte des Studio Ghibli-Mitbegründers

Lesezeit: 2 min.

Hayao Miyazaki ist ein Meister des Manga und des Animationsfilms. Dem 1941 geborenen Japaner verdanken wir bezaubernde Anime-Klassiker wie „Mein Nachbar Totoro“, „Das wandelnde Schloss“ oder „Prinzessin Mononoke“, die allesamt im von Miyazaki mitbegründeten Studio Ghibli entstanden. Schon vorher prägte er z. B. die bekannte „Heidi“-Animationsserie, veröffentlichte aber auch diverse Comic-Fortsetzungsgeschichten wie „Nausicaä aus dem Tal der Winde“, die später ebenfalls filmisch adaptiert wurden.

Beim US-Verlag First Second liegt mit „Shuna’s Journey“ nun eine frühe gezeichnete Bildergeschichte von Miyazaki vor, die vorher noch nie aus dem Japanischen übersetzt wurde. Der Band ist jedoch kein klassischer Manga, sondern eine Mischung aus Comic und Bilderbuch, mit wenigen großen Panels, vielen Splashpages und ganz ohne Sprechblasen – in Japan nennt man so eine illustrierte Geschichte mit Text seit den 1940ern Emonogatari. Ganz so geschmeidig wie ein Comic oder Animationsfilm ist „Shuna’s Journey“ deshalb nicht, trotzdem haben die Story und die Bilder genug Miyazaki-Magie.

Aufhänger der grafischen Geschichte, die 1987 als Radio-Drama interpretiert wurde, ist die fantastische Reise von Prinz Shuna aus einem abgelegenen, armen und kargen Tal. Auf der Suche nach dem legendären goldenen Getreide, von dem ein Fremder berichtet, reist Shuna durch eine Welt, die problemlos als postapokalyptisch bezeichnet werden könnte, obwohl Miyazaki zu Beginn auch eine fantastisch-historische Vergangenheit als weitere Möglichkeit ins Spiel bringt. Shuna reitet auf einem elch-artigen Yakul, trifft auf Ghule und Sklavenhändler, und befindet sich auf Kollisionskurs mit Göttern, Überraschungen und Wahrheiten.

Nicht nur in Shuna und dessen Reittier (das seinen Gattungsbegriff als Namen weitergab) erkennt man problemlos Elemente, die Oscar-Gewinner Miyazaki später in „Nausicaä“ und „Prinzessin Mononoke“ aufgreifen, in beiden Fällen zu einer noch magischeren, noch dichteren Geschichte über die Natur sowie die Natur des Menschen weiterspinnen sollte. Der ganze Look und Spirit des etwas gehetzt endenden Emonogatari scheint also wie ein Wegweiser für Miyazaki und Ghibli deutbar. Allein deshalb lohnt „Shuna’s Journey“ in der englischsprachigen Übersetzung von Alex Dudok De Wit, der zudem ein kenntnisreiches Nachwort zum Werk und zum gesamten Schaffen von Hayao Miyazaki beigesteuert hat.

Mal sehen, welcher Verlag sich hierzulande den Band schnappt, dessen hübsche Hardcover-Ausgabe in den USA zurecht als Ereignis gefeiert wird, mit begeisterten Blurbs von Guillermo del Toro (im Shop) und Daisy Ridley (im Shop). Man könnte sich Shunas Reise bei einigen Kandidaten vorstellen, und die Reise des Prinzen in den Westen hat nun ja wirklich lange genug gedauert …

Abbildungen: TM & © 1983 Studio Ghibli

Hayao Miyazaki: Shuna’s Journey • First Second, New York 2022 • 160 Seiten • Hardcover: $ 27,99 • Sprache: Englisch

 

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