3. Juli 2023

Und was machen Sie beruflich?

Was wir von künstlichem Mondstaub alles lernen können

Lesezeit: 4 min.

Auf den ersten Blick ist sie eine ganz gewöhnliche Geschäftsfrau aus Orlando, Florida. Sie hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und verfügt über langjährige Erfahrung in der Unternehmensführung. Außerdem verkauft sie handgemachten Schmuck auf Etsy. Das ist soweit nichts Besonderes – bis auf die Tatsache, dass Anna Metke hauptberuflich Mondstaub produziert.

Sie ist Herstellungsleiterin bei Exolith Lab, einer Firma mit einem ganz außergewöhnlichen Produkt. Anna Metke und ihr Team von Wissenschaftlern versuchen, den Staub nachzubilden, der die Mondoberfläche bedeckt. Ich würde alleine deshalb gerne mal mit Anna Metke auf eine Cocktailparty gehen, um die Gesichter der Leute zu sehen, die ihr die „Und was machen Sie so?“-Frage stellen.

Von Anna Metke und Exolith habe ich durch ein faszinierendes Video auf der Technologiewebsite The Verge erfahren. Die Herstellung von künstlichem Mondregolith (so der Fachausdruck für das Zeug, das da oben herumliegt) ist nicht nur für die Forschung ungeheuer wichtig, sondern hilft auch dabei, internationale Zwischenfälle auf dem Mond zu vermeiden. Aber dazu gleich mehr. Zunächst komme ich zu der Frage, die Sie sich gerade vermutlich stellen: Warum um alles in der Welt machen diese Leute so etwas?

Weil Mondstaub kein gewöhnlicher Staub ist. Wenn ich Ihnen eine Handvoll irdischen Staub ins Gesicht puste, werden Sie husten und prusten und mich ansehen, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Aber Sie leben weiter. Wenn ich dasselbe mit Mondstaub mache, fallen Sie ziemlich schnell tot um. Die Staubpartikel auf der Mondoberfläche werden ständig mit Meteoriten bombardiert, aber nicht durch Witterung oder Wind abgeschliffen. Deshalb sind sie unglaublich klein und haben unglaublich scharfe Kanten, die, sollten Sie diese Partikel einatmen, Ihre Lunge in Fetzen schneiden würden.

Der Staub gelangt überallhin, da können Sie jeden fragen, der schon einmal auf dem Mond war. Er verklebt Maschinen und lagert sich auf Metalloberflächen ab. Er kriecht in die Raumanzüge, brennt in den Augen und kratzt auf der Haut. Jede Raumfahrtorganisation, die (wie es gerade en vogue ist) eine Mondlandung plant, muss mit diesem Problem fertig werden. Allerdings ist es so gut wie unmöglich, größere Mengen Staub von der Mondoberfläche zur Erde zu bringen, um daran zu forschen. Und hier kommen Firmen wie Exolith ins Spiel.

Der dort produzierte Mondstaub besteht aus verschiedenen Substanzen, je nachdem, welches Gebiet des Mondes nachgebildet werden soll. Der Staub auf dem Gipfel eines Kraters ist nämlich nicht derselbe wie der auf seinem Boden. In der Hauptsache aber handelt es sich bei den Grundstoffen für den künstlichen Staub um Anorthositen, Basalt, Ilmenit, Pyroxenen und Olivinen, die in Spezialmaschinen zu den kleinsten technologisch machbaren Partikeln zermahlen werden.

An dieser Stelle habe ich mit meinem weisen Haupt genickt und mir gedacht, dass Granit zwar meine erste Wahl gewesen wäre, mir die Vorzüge von Ilmenit aber durchaus einleuchten. Ich scherze selbstverständlich, denn ich habe keine Ahnung, worum es sich bei diesen Stoffen handelt. Aber ich finde das Ganze ungemein faszinierend, obwohl ich ein Anorthosit nicht von einem Pyroxen unterscheiden könnte, selbst wenn mein Leben davon abhinge.

Aber zurück zu der Frage, wie Anna Metkes Arbeit dabei hilft, internationale Konflikte zu vermeiden: Wenn ein Raumschiff auf dem Mond landet, bildet der Regolith eine riesige Wolke, und weil es auf dem Mond im Gegensatz zur Erde weder Wind noch ausreichend Schwerkraft gibt, wird diese Staubwolke nicht weggeweht und sie legt sich auch nicht. Stattdessen dehnt sie sich mit einer Geschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern pro Stunde über die gesamte Mondoberfläche aus.

Und das ist ein Problem. Nur mal angenommen, es finden zwei Mondmissionen gleichzeitig statt: eine chinesische und eine amerikanische. Die Amerikaner landen zuerst auf dem Mond und wirbeln eine giftige Wolke aus messerscharfen Partikeln auf, die sich mit hoher Geschwindigkeit auf die chinesische Landezone zubewegt. Theoretisch könnte dies als eine kriegerische Handlung verstanden werden, und das ist kein Scherz. Die NASA hat sich bereits Gedanken darüber gemacht - und die Chinesen höchstwahrscheinlich auch.

Dies zu verhindern liegt im Interesse aller Raumforscher und Raumfahrtagenturen, weshalb sie das Verhalten des Mondstaubs genauer untersuchen wollen. Deshalb ist die Arbeit von Firmen wie Exolith Lab so wichtig, und wir sollten sie nach Kräften unterstützen. Ich habe zwar keine Verwendung für Mondstaub (außer vielleicht, um die Nachbarn damit zu ärgern), aber vielleicht kaufe ich Anna Metke eines ihrer Schmuckstücke auf Etsy ab.

Ich bitte um Verzeihung, das klang etwas herablassend. Falls Etsy Anna Metkes Haupteinnahmequelle ist, dann hat sie auf jeden Fall den mit Abstand besten und wichtigsten Nebenjob aller Zeiten.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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