„Last Contact“ – Wie lange ist das noch Dystopie?
Ein zurückhaltendes Science-Fiction Kammerspiel in den Weiten nicht des Alls sondern des Ozeans
Der Meeresspiegel wird steigen, soviel ist klar. Um wie viele Meter, das ist allerdings noch nicht sicher. Inselstaaten wie die Malediven rüsten bereits auf und bauen künstliche, höher gelegene Inseln, um zumindest einen Teil ihrer Bevölkerung retten zu können. Ob es in wenigen Jahrzehnten so schlimm wird, wie im inzwischen legendären „Waterworld“, wo nur noch die Spitze des Mount Everest aus dem Wasser ragte? Wer momentan lebt, wird das so oder so nicht erleben, aber es ist ja nie verkehrt, sich via dystopischer Filme klar zu machen, dass die aktuellen Klimaextreme keineswegs normale Wettererscheinungen sind, sondern Anzeichen des Klimawandels.
Insofern kann es eigentlich nicht genug Filme wie „Last Contact“ geben, die eine futuristische Welt imaginieren, in der in gar nicht so ferner Zukunft, hier das Jahr 2063, die Welt fast komplett vom Wasser bedeckt ist. Allein zwei kleine Landmassen existieren noch, die sich angesichts des Kampfs um die kaum noch existierenden Ressourcen im Kriegszustand befinden. Aus diesem Grund haben beide Seiten in den nun noch weiteren weiten der Ozeane Außenposten gebaut (die Sentinels des Originaltitels „Last Sentinel“), die an verrostete Bohrinseln bzw. Militärposten erinnern.
Auf so einem ehemaligen, vor der Küste Estlands gelegenem Militärposten fanden auch die Dreharbeiten für die Außenaufnahmen der europäischen Co-Produktion „Last Contact“ statt, bei der der estnische Regisseur Tanel Toom Regie führte, der Brite Malachi Smyth das Drehbuch schrieb und die vierköpfige Besetzung von einer internationalen Besetzung gespielt wird: Der Deutsche Thomas Kretschmann spielt den Anführer Sergeant Hendrichs, die Amerikanerin Kate Bosworth die Funkerin Cassidy, der Nordire Martin McCann den Ingenieur Baines und der Brite Lucien Laviscount das Mädchen für alles, Sullivan.
Seit über zwei Jahren hängt dieses Quartett auf dem Vorposten ab, checkt die Lage und wartet nun auf die Ablösung, die schon längst hätte kommen sollen. Mehr als tägliche Funksprüche versenden und gelegentlich zu fischen, um die mehr als karge Tiefkühlernährung etwas aufzulockern, bleibt nicht zu tun, doch eines Tages taucht doch ein Schiff am Horizont auf. Dieses erweist sich allerdings nicht als die erhoffte Ablösung, sondern schippert ohne Besatzung über die Wellen – und katalysiert die Animositäten und das Misstrauen, das sich zwischen den vier Charakteren längst gebildet hat.
Würde man hier statt von einem Schiff von einem Raumschiff sprechen und statt dem Vorposten in den Weiten des Meeres von einer Raumstation in den Weiten des Alls, könnte man „Last Contact“ als Hard Science-Fiction bezeichnen, deren Setting und Sujet als Allegorie für Zustände auf der Erde funktionieren würden. So allerdings bleibt der Film quasi am Boden einer nur leicht dystopischen Realität und behauptet das futuristische Element vor allem durch einige Texttafeln, die gleich zu Beginn Ort und Zeit vorgeben.
Worum es hier also geht, ist nicht die direkte Konfrontation mit außerirdischen Wesen oder einer unmittelbaren Bedrohung durch finstere Aliens, sondern ein psychologisches Kammerspiel, in dem im Laufe der anfangs etwas zähen Erzählung allegorische Charaktere gezeichnet werden. Vieles mutet zwar bekannt an, von einer unvermeidlichen Affäre zwischen zwei Figuren, über dunkle Geheimnisse, die später durch Einsicht in die Personalakte enthüllt werden, bis zu mal egozentrischen, mal altruistischen Entscheidungen. Doch trotz des bekannten Ansatzes, trotz der geringen Mittel, gelingt es Toom und seinen Schauspielern eine dichte Atmosphäre zu erzeugen und auf dichte, spannende Weise von einer Extremsituation zu erzählen, die gar nicht mehr so unwahrscheinlich erscheint.
Last Contact • Last Sentinel, GB/Estland 2022 • Regie: Tanel Toom • Darsteller: Thomas Kretschmann, Lucien Laviscount, Martin McCann, Kate Bosworth • Start: 27. Juli
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