„Architektur für eine nachhaltige Welt“ – Bauen mit Holz, Lehm, Kork
Wie wollen wir zukünftig wohnen und leben?
Man könnte es für ein Paradox halten: „Architektur für eine nachhaltige Welt“, schließlich ist die Baubranche dank ihrer Lust auf Stahl und vor allem Beton einer der Hauptverursacher von CO², und wenn man sich Länder wie China oder die Emirate am Golf anschaut, in denen immer noch gebaut wird wie, ja, wahnsinnig, dann schwant Schlimmes. Das Problem an dieser Art des Bauens oder den zwar ästhetisch spektakulären, aber nicht nur größenwahnsinnigen CO²-Schleudern, die Saudi Arabien für die Fußball-WM 2034 plant, ist nun nicht das Bauen an sich, sondern die Art und Weise, wie gebaut wird.
Genau hier setzt die Kunsthistorikerin Agata Toromanoff mit ihrem Bildband „Architektur für eine nachhaltige Welt“ (im Shop) an, dessen Untertitel „Innovative Konzepte für klimafreundliches Bauen“ die Richtung ebenso vorgibt, wie die einführenden Vorworte „Bauen als Akt des Optimismus“ und „Die Architektur der Möglichkeiten.“
Im Wissen, dass die Menschheit auch im Angesichts des Klimawandels ihre Lebensweise nicht fundamental ändern wird, kann es nicht darum gehen, wieder in Höhlen und Strohhütten zu leben, sondern Wege zu finden, mit denen zum einen möglichst CO² neutral gebaut wird, zum anderen der Kreislauf von Bauen-Abreißen-Neubauen beendet oder zumindest stark reduziert wird.
Beim ersten Aspekt hilft ein Blick in die nordischen Länder, wo seit Jahren wieder verstärkt mit Holz gebaut wird. Das gilt nun nicht nur für kleine, lauschige Hütten in der schwedischen Natur, denn so ein luxuriöses Individualgebäude kann natürlich nicht die Lösung sein (weder in den maximal gleich groß bleibenden Bevölkerungen Europas und erst recht nicht in den noch viele Jahrzehnte wachsenden Bevölkerungen des globalen Südens), sondern auch für mehrstöckige Häuser.
Erstaunliche Fortschritte wurden bei der Wiederentdeckung dieses klassischen Baumaterials gewonnen, nicht nur im Norden Europas, sondern auch in Ländern wie Bangladesch oder Indonesien, wo nicht nur kleine Hütten, sondern große, auch ästhetisch eindrucksvolle Hallen aus Holz gebaut wurden.
Auch andere Materialien wie Lehm oder Kork werden inzwischen innovativ verwendet, letzteres sogar auch in Berlin, wo das sogenannte Korkenzieherhaus entstand, ein Wohnhaus, dessen Fassade zur Selbstisolierung aus gepresstem Kork entstand. Sicherlich eine gewöhnungsbedürftige Methode, die auch optisch ungewöhnlich anmutet, aber angesichts der oft allzu austauschbaren Fassaden, die die zeitgenössische Architektur aus Stahl, Glas und Beton fabriziert, vielleicht gerade deswegen eine Idee für die Zukunft.
Doch auch auf den aus vielen Gründen so beliebten Beton wird man in Zukunft nicht unbedingt verzichten müssen: Auf dem Campus der TU Dresden wurde ein experimenteller Bau errichtet, der aus sogenanntem Carbonbeton besteht, der zwar ähnliche Eigenschaften wie der klassische Beton besitzt, dafür aber bei der Produktion nur die Hälfte an CO² verursacht.
Ironisch, fast schon zynisch mutet es dagegen an, wenn vom Google-Campus die Rede ist, der vom dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels und seinem Büro entworfen wird. Während der Campus selbst klimaneutral funktionieren soll, dürfte das für die Millionen Suchanfragen, die google täglich bearbeitet, nicht gelten. Und die verbrauchen einzeln betrachtet zwar minimal Energie, als Ganzes gesehen aber mehr als manche Länder.
Doch nicht nur im Westen entstehen innovative Ansätze, auch in Ländern wie Burkina Faso, den Kapverdischen Inseln oder Vietnam wird über die Zukunft des Bauens nachgedacht und wieder verstärkt mit traditionellen, den Gegebenheiten der Region angepassten Methoden gearbeitet. In Südostasien bedeutet das etwa, dem heißen, schwülen Klima nicht mit lauten, energiefressenden Klimaanlagen entgegenzuwirken, sondern mit offenen, luftdurchlässigen Grundrissen und begrünten Fassaden.
Neben dem anders Bauen zeigt Toromanoff aber auch noch einen weiteren Weg in eine nachhaltigere Zukunft auf: Dem Umbau von bestehenden Gebäuden, wie er europaweit etwa bei der Transformation ehemaliger Industriequartiere zum Einsatz kommt, in Deutschland besonders deutlich im Ruhrgebiet. Und ausgerechnet die Hauptstadt könnte diesbezüglich bald als innovativer Leitstern herausragen: Aus dem inzwischen leerstehenden Gebäude der Galerie Lafayette, vom Pritzker-Preisträger Jean Nouvel einst an der legendären Friedrichstraße errichtet, könnte bald ein zentrales Bibliotheksgebäude werden. Um die Berliner Entscheidungsträger in die richtige, innovative Zukunft zu lenken, könnte die Lektüre dieses Bandes durchaus helfen.
Agata Toromanoff: Architektur für eine nachhaltige Welt • Sachbuch • Prestel, München 2024 • 272 Seiten • Hardcover • 40,00 € • im Shop
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