26. Februar 2021 2 Likes

„Delete Me“ in „Cleanland“

Neue Jugendbücher von Hansjörg Nessensohn und Martin Schäuble

Lesezeit: 3 min.

Lesestoff kann man nie genug haben, erst recht in jungen Jahren. Wenn die Bücher dann auch noch hochaktuelle Themen behandeln, ist Spannung garantiert. Ein Blick in zwei Romane, die vergangenes Jahr erschienen sind.

 

Der Klon im virtuellen Raum

Manchmal reicht eine Sekunde, um alles zu zerstören. Als mitten in Berlin eine Bombe hochgeht, ändert sich für Finn alles. Seine Freunde sterben, sein bester Freund sitzt im Rollstuhl und bricht den Kontakt ab – und seine Freundin erinnert sich nicht mehr an ihn. Das Leben wird zum Albtraum, weil ein Lehrer zum Attentäter wurde. So lautet zumindest die offizielle Polizeimitteilung. Doch Finn erfährt bald, dass mehr dahinter steckt. Denn Monate später kontaktiert ihn sein verstorbener Lehrer auf dem Handy und bittet den Jungen um Hilfe. Doch wie kann ein Toter kommunizieren und warum ausgerechnet mit Finn? Für ihn und seinen Stiefbruder Paul beginnt ein Ausflug zur dunklen Seite der schönen neuen Datenwelt. Was wäre, wenn aus den Spuren, die ein jeder im realen Leben und im Netz hinterlässt, ein virtueller Klon entsteht, der einem jede Frage beantwortet? Diesem Szenario geht Drehbuchautor Hansjörg Nessensohn („Verbotene Liebe“, „Hubert ohne Staller“) nach. In „Delete Me“ wird die Phantasterei eines Hacker-Trios zum wahr gewordenen Traum des Geheimdienstes. Und wer nicht mitspielt, wird gejagt und getötet. Klingt nach einem altbekannten Muster, funktioniert aber immer noch. Nessensohns packender Thriller über virtuelle Realität, künstliche Intelligenz, Daten und Überwachung punktet aber vor allem durch die Figuren: den gebrochenen Finn, die rebellische Toni und den zurückhaltenden Paul, der sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Und so ist es mal wieder die Jugend, die den Mächtigen zeigt, wo der Hammer hängt. Ist das lesenswert? Aber ja! Und wer weiß, vielleicht ist die Verfilmung ja nur noch ein Frage der Zeit.

Hansjörg Nessensohn: Delete Me. Deine Geheimnisse leben weiter • Ueberreuter, Berlin 2020 • 352 Seiten • Empfohlen ab 14 Jahren • € 18,00

 

Das Leben nach der Pandemie

Es gibt Bücher, bei denen möchte man zu gerne wissen, wann der Autor auf die Idee für die Geschichte gekommen ist. Im Fall von Martin Schäubles „Cleanland“ ist zumindest das Veröffentlichungsdatum klar: 2020. Doch kam ihm der Einfall vor oder nachdem die COVID-19-Pandemie ausbrach? Ob vorausschauendes Schreiben oder schnelle Reaktion auf die Realität, in beiden Fällen muss man dem Politikwissenschaftler und Journalisten wohl gratulieren. Sein Jugendroman porträtiert eine Gesellschaft, die nach einer verheerenden Pandemie alles dafür tut, die nächste zu verhindern. In „Cleanland“ ist der Name jedenfalls Programm: Hier ist alles absolut sauber und die Gesundheit gilt als höchstes Gut. Passend dazu hat das Ministerium für Reinheit die größte Macht im Staat inne. Der Kult um das gesunde Leben geht so weit, dass alle Gesundheitswerte permanent überwacht, die Kontakte auf ein Minimum beschränkt werden und die Außenwelt nur im Ganzkörperanzug betreten werden darf. Die 15-jährige Schilo kennt die Welt nicht anders. Zwei Menschen bringen schließlich alles ins Wanken: Toko, der als „Cleaner“ nachts ihre Wohnung putzt, und ihre beste Freundin Samira, die wiederholt gegen die Regeln des Ministeriums verstößt – und daher weggesperrt wird. Schilo muss sich entscheiden, wie es weiter gehen soll und ob sie für ihre Freiheit bereit ist, gegen alle Regeln zu verstoßen. Wie schon in seiner Dilogie Die Scanner“ und Die Gescannten“ (Fischer KJB), erkennt man auch hier Schäubles Vorbilder. Für sein „Cleanland“ bedient er sich bekannter Motive aus „1984“, „Schöne neue Welt“ und „Der Report der Magd“, setzt sie neu zusammen und erschafft so einen überzeugenden Roman, der sich vor den Großen des Genres verneigt. Doch seine Geschichte ist vor allem eines: Eine interessante Auseinandersetzung mit der Gegenwart – eben das, was gute Zukunftsromane auszeichnet.

Martin Schäuble: Cleanland • Fischer KJB, Frankfurt am Main 2020 • 208 Seiten • Empfohlen ab 12 Jahren • € 14,00

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