„Der Fluch des Hasen“ – Bora Chungs Kurzgeschichten
Nach Filmen, Serien und Musik nun auch starke K-Literatur
Wie die Zeiten sich ändern: Früher war Korea in der westlichen Welt ein eher unbeschriebenes Blatt, irgendwie ähnlich zum Nachbarn Japan, vielleicht erzeugte für die Deutschen die Teilung der koreanischen Halbinsel irgendwie das Gefühl, dass man es mit Leidensgenossen zu tun hat, aber ob jetzt Panasonic oder LG aus Japan oder doch aus Korea stammten, war auch egal.
Inzwischen gibt es kaum ein Land, das so heiß, so cool scheint wie Korea, Südkorea um genau zu sein, schließlich gibt es da noch den abgeschotteten Norden. Bong Joon-ho gelang vor ein paar Jahren das Kunststück mit „Parasite“ einen Film zu drehen, der als erster nichtenglischsprachiger Regisseur den Oscar als Bester Film gewann, über den Erfolg der TV-Serie „Squid Game“ muss man nicht mehr schreiben, K-Pop findet längst auch auf deutschen Konzertbühnen statt und mit Han Kang wurde letzten Herbst eine südkoreanische Autorin mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
Das Timing könnte also nicht besser sein, wenn nun die Taschenbuchausgabe von „Der Fluch des Hasen“ (im Shop) erscheint, einer Sammlung von Kurzgeschichten der südkoreanischen Autorin Bora Chung. Bei der Leipziger Buchmesse 2024 wurde die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Ki-Hyang Lee, für ihre Arbeit ausgezeichnet, was in doppelter Hinsicht passt. Zum einen weil es Lee gelang, die Feinheiten des Koreanischen in ein sehr gut lesbares, modernes, aber nicht betont hippes Deutsch zu übertragen, zum anderen weil auch Chung selbst als Übersetzerin tätig ist. Ihre Sprachen sind allerdings das Russische und das Polnische, was möglicherweise einige der Inspirationen für die teils surrealen, teils fantastischen, mal der Science-Fiction, mal dem Morbiden zuneigenden Geschichten verrät.
Die der Sammlung den Titel gebende Geschichte erzählt etwa von einem verfluchten Hasen, der sich im Lager einer Brennerei durch allerlei Papier, Unterlagen und Bargeld frisst und bald auch vor einem geheimen Rezept zur Herstellung von besonders potentem Alkohol nicht halt macht. Man mag das als Reflexion über den auch in Südkorea zunehmend hemmungslosen Kapitalismus verstehen, eine der Linien, die sich durch die Geschichten ziehen.
Eine andere ist eine unverhohlene, sich oft in drastischen Bildern zeigende Kritik an den patriarchalen Strukturen des konservativen Landes. In der Geschichte „Der Kopf“ etwa muss eine Frau beobachten, wie aus ihren Ausscheidungen in der Toilette ein zunehmend aufdringliches Kopf und später ein ganzes Wesen entsteht. Allein solche Bildern dürften in einer Gesellschaft, in der Frauen zu Zurückhaltung und dezentem Verhalten angehalten werden, für einen kleinen Skandal sorgen, erst recht der Titel einer anderen Geschichte: „Monatsblutung.“ Diese beschreibt den seltsamen Fall einer Frau, die quasi unbefleckt schwanger wird. Die pragmatische Problemlösung der Ärzte ist nun nicht etwa eine Abtreibung, sondern das Suchen eines Ehemannes für die werdende Mutter. Was sich als schwierig erweist, denn die wenigen Kandidaten, die nicht sofort Hals über Kopf verschwinden, sagen der Frau nicht zu, die schließlich ein Baby auf die Welt bringt, das direkt aus einer Stephen King-Geschichte zu stammen scheint.
Auch für den International Booker Award war Bora Chung mit dieser, ihrer ersten Kurzgeschichten-Sammlung nominiert, inzwischen sind zumindest auf Englisch auch eine weitere Sammlung und ein erster Roman veröffentlicht worden. Und angesichts des anhaltenden Erfolgs von Kultur aus Korea, vor allem aber der Qualitäten von Bora Chungs Prosa und ihrer bizarren Imagination dürfte wohl auch bald eine deutsche Veröffentlichung folgen, auf die man nach diesen seltsamen, faszinierenden Kurzgeschichten gespannt sein darf.
Bora Chung: Der Fluch des Hasen • Blessing, München 2025 • 264 Seiten • Taschenbuch • 14,00 € • im Shop
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