17. März 2017

Die kriminelle Seite des Mondes

Lunarer Hardboiled-Krimi: Anthony O’Neills SF-Roman „Dark Side“

Lesezeit: 2 min.

Der 1964 im australischen Melbourne geborene, heute jedoch im schottischen Edinburgh lebende Anthony O’Neill hat schon diverse Bücher veröffentlicht, darunter eine Nacherzählung der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, ein Kriminalfall zweier anthropomorphisierter Tier-Detektive sowie die historisch-fantastischen Romane „Die Kammer der Ewigkeit“ und „Der Hüter der Finsternis“. Mit „Dark Side“ ist bei Knaur gerade O’Neills erster Science-Fiction-Roman auf Deutsch erschienen, der im Original 2016 herauskam, während die Filmrechte bereits 2014 vorab von 20th Century Fox gekauft wurden.

„Dark Side“ handelt von der nach dem Fegefeuer benannten Mond-Kolonie Purgatory und deren sündiger Hauptstadt Sin, wo der trump-mäßige Milliardär Fletcher Brass als Patriarch herrscht und seine Reise zum Mars vorbereitet – die Erde, die von Naturkatastrophen und Pandemien heimgesucht wird, macht es schließlich nicht mehr lange, und darum sollte man die Besiedelung des Alls lieber weiter vorantreiben. Allerdings stehen die Dinge auf dem Mond ebenfalls nicht gerade zum Besten, wie Police Lieutenant Damien Justus schnell feststellt, der erst seit wenigen Wochen vor Ort ist. Immerhin wird Purgatory hauptsächlich von kriminellen irdischen Exilanten bewohnt – nur die schlimmsten Schwerverbrecher, die vom Blauen Planeten auf den Mond abgeschobenen wurden, hausen in kleinen, abgelegenen Habitaten. Verdächtige gibt es in Sin dennoch genug, als der durch einen Säureangriff entstellte Justus in einer anscheinend terroristisch motivierten Mordserie ermittelt. Dabei muss er sich durch einen wahren Sumpf aus Korruption, Politik und Intrigen kämpfen, der aufgrund seines Außenseiterstatus und des damit einhergehenden Mangels an lokalem Insiderwissen noch etwas undurchsichtiger wird. Außerdem ahnt Justus nicht, dass sich ein lebensechter Androide unaufhaltsam Sin nähert und dabei eine Spur aus Leichen in der Weite des ressourcenarmen, strahlungsreichen Erdtrabanten hinter sich herzieht …

Mit Arne Ahlerts „Moonatics“ (im Shop), Ian McDonalds „Luna“ (im Shop) und jetzt Anthony O’Neills „Dark Side“ sind innerhalb des letzten halben Jahres einige SF-Romane erschienen, die sich auf den guten alten Mond konzentrieren, der angesichts des Mars-Hypes irgendwie ein bisschen in den Ruf geraten scheint, einer anderen Ära der Raumfahrt und der Science-Fiction anzugehören. O’Neill macht ihn zur Kulisse für einen klassischen, auf gute Weise ‚altmodischen’ Hardboiled-Krimi. Die Szenen mit Lieutenant Damien Justus, die hauptsächlich von Dialogen getragen werden, treffen genau den richtigen Ton. Sobald sich der Fokus von Justus fortbewegt und es zwischendurch um den mörderischen Androiden geht oder O’Neill ausführlich über die Hintergründe und Besonderheiten seines kolonialisierten Mond berichtet, leiden Spannungskurve und Lesespaß sofort spürbar. Hier hat man immer wieder das Gefühl, dass O’Neill etwas zu sehr darauf bedacht ist, die Fakten aus den vielen Büchern einzubinden, die er in er Danksagung als Recherchematerial auflistet, das von Arthur C. Clarke (im Shop) über Ben Bova (im Shop) bis hin zu allerhand Wissenschaftlern und Raumfahrtexperten wie Andrew Chaikin reicht.

Nichtsdestotrotz ist „Dark Side“ ein ganz netter Hardboiled-Science-Fiction-Krimi, der vor allem durch die Szenen um seinen mustergültig hartgekochten Ermittler punkten kann. 

Anthony O’Neill: Dark Side • Knaur, München 2017 • 412 Seiten • Paperback: 14,99 Euro

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