3. August 2017 1 Likes

Gejagter und Jäger

„Planetenjäger“ von George R. R. Martin, Gardner Dozois & Daniel Abraham

Lesezeit: 3 min.

Der Roman „Planetenjäger“ (im Shop) hat nicht nur drei prominente Autorennamen auf dem Cover prangen, sondern auch eine ungewöhnliche Origin: Alles begann in den 70ern mit einer Science-Fiction-Kurzgeschichte, bei der Gardner Dozois einfach nicht weiterkam. Deshalb setzte sie sein Kollege und Kumpel George R. R. Martin (im Shop) fort, bevor er sie wieder an Dozois zurückgab. Selbst nach einigem hin und her kamen die beiden in den 80ern jedoch nicht wirklich weiter, dem Ende kein bisschen näher. 2002 holten die alten Hasen und Fandom-Pioniere, die zusammen mittlerweile viele starke Genre-Anthologien herausgegeben haben, den nachrückenden Erfolgsautor Daniel Abraham ins Boot, der später u. a. die „Game of Thrones“-Comic-Adaption schrieb, den man heute als eine Hälfte von James S. A. Corey (im Shop) kennt und der 1998 u. a. von Dozois, GRRM und Connie Willis (im Shop) im Clarion Science Fiction & Fantasy Writer’s Workshop ausgebildet wurde – weshalb Romanfassung von „Planetenjäger“ alias „Hunter’s Run“ aus dem Jahre 2008 Willis gewidmet wurde. Doch der Reihe nach, denn vorher erschien die zwischenzeitliche Erzählung 2005 zunächst als Novelle und als dünnes, limitiertes Buch mit dem Titel „Shadow Twin“ beim amerikanischen Szenepublisher Subterranean Press. Aus der Novelle machte Dozois dann letztlich den Roman, der jetzt in der Übersetzung von Andreas Helweg als Paperback, E-Book und Hörbuch auf Deutsch erschienen ist. Was für eine Story!

Die eigentliche Geschichte des Buches setzt in einer Zukunft ein, in der die Menschheit sich wie ein Krebsgeschwür im All ausbreitet. Wegen der destruktiven, uneinsichtigen Natur der Menschen, die in letzter Konsequenz alles verderben, überlassen ihnen die weiter entwickelten Alien-Völker nur die schrottigen kleinen Planeten, an denen sich die irdischen Kolonialisten abarbeiten können, ohne groß Schaden anzurichten. Protagonist Ramón Espejo schlägt sich als glückloser Prospektor auf dem Planeten São Paulo durch, der erst in der zweiten Generation von Menschen hauptsächlich südamerikanischer Abstammung bewohnt wird. Ramón trinkt, sucht Ärger in Kneipen und behandelt seine Freundin mies, wenn er sie nicht gerade ausnutzt oder mit ihr schläft. Eines Abends bringt ihn sein Temperament wieder einmal in Schwierigkeiten, als Ramón hinter einer Bar im Streit einen Botschafter ersticht. Daraufhin flieht er mit seinem Gleiter in den unberührten, noch nicht kartografierten Norden São Paulos. Allerdings kommt Ramón hier vom Regen in die Traufe: In den Bergen, wo er mit seinen Sprengungen und Gesteinsanalysen das große geologische Los zu ziehen hofft, trifft er auf unbekannte, fremdartige Aliens, die ihn gefangen nehmen und ferner zwingen, einen anderen Menschen zu jagen. Ramón wird sogar an eines der Aliens gebunden und muss mit ihm durch die gefährliche Wildnis hetzen. Zumal die Identität ihrer Beute Ramón schwer zu schaffen macht, sobald sie ihm klar wird …

Wer den etwas antiquiert wirkenden Prolog des Buches – den Part, mit dem in den 70ern alles begonnen hat – übersteht und der immer etwas altmodischen SF-Geschichte des berühmten Trios bis zu Ramóns Erkenntnis gefolgt ist, wird durchaus belohnt. Dozois, Martin und Abraham ringen einem der beliebtesten Themen der Science-Fiction hier nämlich einen interessanten Aspekt ab, den sie ohne Vorwarnung als überraschenden Kniff hervorzaubern. Gleichzeitig präsentieren sie Aliens, die wirklich komplett anders denken als Menschen und sich entsprechend befremdlich und kompliziert ausdrücken; Aliens, die aus xenologischer Sicht einiges hermachen und in deren Weltanschauung Ramón als einziger wandelnder Widerspruch existiert, der den klaren Gesamtfluss stört. Übrigens verblüfft es doch einigermaßen, wie sehr man mit Ramón mitfiebert, den man nun ja nicht unbedingt als klassischen Sympathieträger bezeichnen kann. Als Fixpunkt der Geschichte und der Action taugt er dennoch ziemlich gut.

Klar, „Planetenjäger“ ist in der finalen Romanfassung etwas länger, als der Handlung insgesamt gut tut – aber all diese Elemente wissen trotzdem ebenso zu gefallen wie die Stimmung auf dem Kolonialplaneten und die gelegentliche Noir-Atmosphäre, die sich an manchen Stellen in den Plot einschleicht. Das macht das Gemeinschaftswerk der drei großen Gestalter der Genre-Gegenwart, das eine so langwierige Metamorphose durchlief, zu mehr als einem passablen SF-Roman mit Oldschool-Touch.

George R. R. Martin, Gardner Dozois, Daniel Abraham: Planetenjäger: Penhaligon, München 2017 • 349 Seiten • E-Book: 11,99 Euro

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.