24. April 2017 1 Likes

House of Mystery

Höchst unterhaltsame Weird Fiction: „Der Raum“ von Peter Clines

Lesezeit: 3 min.

Mit „Der Spalt“ (im Shop) gelang Peter Clines einer der coolsten und massenkompatibelsten Weird-Fiction-Romane der letzten Jahre. Jetzt ist das im Original früher herausgekommene, lose verwandte „14“ als „Der Raum“ (im Shop) auf Deutsch erschienen – das Buch kann letztlich jedoch komplett eigenständig gelesen werden, während Superstar Robert Downey Jr. in eine Verfilmung involviert sein soll, wie Clines schon vor einer Weile sim Interview verriet. Unterwegs wandelt sich „Der Raum“ wie gewohnt von Mystery zu Science-Fiction und schließlich zu kosmischem SF-Horror. Eine ganz schöne Überraschung, wenn man bedenkt, dass die Geschichte mit einem Partygespräch über eine günstige Wohnung in Los Angeles anfängt …

Sein mieser Job als Aushilfskraft in der Dateiangabe einer Zeitschrift in Hollywood füllt Nate kein Stück aus. Vielleicht stürzt er sich deshalb mit umso mehr Elan auf das Rätsel, das seine neue Bleibe darstellt: Ein mehrstöckiges Backsteinmietshaus in bester Lage, dessen Miete eigentlich ein Witz ist, in dem es grüne, mutierte Kakerlaken, in Bugs-Bunny-Manier mit Ketten und Schlössern verbarrikadierte Türen, eiskalte Wände und noch viele weitere Merkwürdigkeiten und Geheimnisse gibt, angefangen bei den abenteuerlichen Grundrissen der Wohneinheiten oder der fehlenden Anbindung an das städtische Stromnetz. Nate will unbedingt ergründen, was es mit diesen und anderen Mysterien des alten Hauses auf sich hat. Da der langjährige Hausmeister den neugierigen Mietern verbietet, genau das zu tun, wird aus einer losen Hausversammlung schnell eine regelrechte Hausverschwörung. Nate und eine Handvoll seiner Mitbewohner machen sich trotz aller Warnungen und Rauswurfdrohungen daran, die Geheimnisse des Gebäudes zu lüften – und müssen dabei weiter gehen und entdecken weit mehr, als sie für möglich gehalten hätten.

Wie schon in „Der Spalt“, gelingt es dem studierten Literaturwissenschaftler, Archäologen und Quantenphysiker Peter Clines abermals, binnen weniger Seiten nicht nur eine sympathische Hauptfigur zu erschaffen, sondern ihr in derselben Geschwindigkeit ein genauso sympathisches Ensemble an Nebenfiguren zur Seite zu stellen. Gleichzeitig spickt Clines seine Geschichte, die sich lange als spannende Ermittlung und Schnitzeljagd präsentiert, erneut mit vielen Geek-Referenzen, die genauso lässig wirken wie sein locker-flockiger Schreibstil, der mühelos 600 Seiten zu unterhalten versteht. Da gibt es Anspielungen auf „Scooby-Doo“, „Star Wars“ (im Shop), „Der Wüstenplanet“ (im Shop), „Torchwood“, „The Big Bang Theory“, die „Hulk“-Verfilmungen, „Ghost Busters“, auf das von H. G. Wells mitverfasste Biologie-Sachbuch „The Science of Life“ oder auf das Schaffen von Weird-Fiction-Altmeister H. P. Lovecraft, das immer mehr Raum einnimmt, je weiter die Handlung voranschreitet. Die Natürlichkeit, mit der Clines Geek-Wissen und Nerd-Insider in seine Story einbaut und seinen Protagonisten in den Mund legt, machte bereits „Der Spalt“ zu seinem noch größeren Vergnügen für Genre-Fans, als ohnehin schon. Außerdem zeigt das Ganze, wie weit viele der Stoffe mittlerweile ins Allgemeinwissen vorzudringen vermochten.

Vielleicht sind an dieser Stelle noch ein paar Worte zur Chronologie und Verknüpfung der beiden Bücher aus Clines’ Feder angebracht, die in der flüssigen Übersetzung von Marcel Häußler bei Heyne vorliegen: Wer zunächst „Der Spalt“ gelesen hat, wird mit „Der Raum“ noch mehr Spaß haben, ohne dass das Lesevergnügen durch das vorhandene Vorwissen über die Mechanik und den Aufbau von Clines’ SF-Kosmos großartig geschmälert wird. Und wer dank „Der Raum“ erstmals die literarische Welt von Mr. Clines betritt, will sich anschließend sofort „Der Spalt“ besorgen und dürfte es mit genauso viel Elan und Freude verschlingen. Pageturner-Qualitäten besitzen beide Werke zu genüge.

Und noch eine Sache verbindet die Bücher. Denn auch „Der Raum“ ist keineswegs die raffinierteste oder innovativste, aber mit Sicherheit wieder eine der unterhaltsamsten und sympathischsten Weird-Fiction-Veröffentlichungen des Jahres.

Peter Clines: Der Raum • Aus dem Englischen von Marcel Häußler • Heyne, München 2017 • 590 Seiten • E-Book: 8,99 Euro (im Shop)

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