11. Februar 2016 4 Likes

„Ick weeß, wenn's nich funktioniert. Dit is ooch schon wat.“

Mit „Alles außer irdisch“ legt Horst Evers seinen ersten Science Fiction-Roman vor, Berliner Schnauze inklusive.

Lesezeit: 4 min.

Es gibt Tage, an denen geht alles schief, was nur schief gehen kann. Ausgerechnet auf so einen fällt die Eröffnung des BER. Nach nicht einmal zehn Sekunden Betriebszeit kracht ein riesiges Raumschiff vom Himmel und begräbt den Flughafen unter sich. Mittendrin in dem Chaos ist Goiko Schulz, ein 36-jähriger Langzeitstudent, der mit seiner Zufallsbekanntschaft Kira Menzel den Jungfernflug nach New York antreten wollte. Mit Hilfe eines plötzlich auf seinem Handy aufgetauchten Programms kann er die Insassen des A380 vor dem Tod durch außerirdischen Schrott bewahren, wird aber zum Dank vom Sky Marshal angeschossen. Knapp dem Heldentod entgangen, beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise durch Raum und Zeit mit Weggefährten, die zum Großteil alles sind – außer irdisch.

Von der Flugzeugtoilette des Linienfliegers geht es an Bord der Signora, einem ausgemusterten Nahverkehrsraumschiff, das von Artenschützern gekauft wurde. Hier erfährt Goiko, dass er nichts geringeres ist als die letzte Hoffnung der Menschheit. Am intergalaktischen Verbrauchergerichtshof soll er Klage einreichen gegen den Verkauf der Erde an die Schorfen, eine überaus kriegerisch eingestellte Aliennation. Doch bis es soweit ist, müssen eigene Pläne geschmiedet, fremde vereitelt, eine Tür geschlossen und Kira aus den Fängen des Bösen befreit werden.

Das Los, das der Autor, Kabarettist und Wahlberliner Horst Evers dem vermeintlichen Retter der Welt auferlegt hat, ist kein leichtes, aber es ist lustig und unterhaltsam hierüber zu lesen. Evers, der vor allem für seine pointierten und dialoglastigen (Kurz-)Geschichten bekannt ist und bis dato nur einen einzigen weiteren Roman („Der König von Berlin“) veröffentlicht hat, bleibt sich bei der Schilderung des irdischen Alltags treu: Abstrusitäten, Kuriositäten und Wahnsinn sind der tägliche Begleiter der Hominiden auf dem kleinen blauen Planeten. Was Außerirdische in Staunen versetzt, lässt Erdlinge oftmals beschämt zurück. Es grenzt an Ironie, wenn Goiko einem seiner Mitfahrer, dem auf Gelegenheiten spezialisierten Handlungsreisenden Roooooz, erklären muss, warum ihm aus moralischen Gründen keine 30.000 Kinder überlassen werden, obwohl die selbe Zahl an Menschen tagtäglich auf der Erde stirbt und somit ohne Belang für die Zukunft der Menschheit zu sein scheint. Mal sarkastisch, mal zynisch und bisweilen böse wird die verrückte Menschenwelt beschrieben, wobei der ein oder andere Lacher im Hals stecken bleibt. Doch zum Glück ist nicht jede Passage so ausgelegt und der Humor nicht immer so bitterböse, wenn es um die kleinen, feinen Eigenarten der menschlichen Spezies geht.

Goiko und seine Mitfahrer bilden eine bunte Truppe aus kongenialen Wissenschaftlern, tapferen Kriegern, und trickreichen Philosophen, in deren Mitte der Student mit seiner bescheidenen Intelligenz mehr als deplatziert wirkt. Dafür hat er die seltene Gabe, durch vollkommen irrationale Einfälle jeden logischen Plan der Gegner außer Kraft setzen zu können. Lichtblick für Goiko ist die hübsche Missionsleiterin Njiuv, die er bereits als Doktorandin und Zeitreiseforscherin an der Uni kennen gelernt hat und die sich zu seinem Leidwesen als Klon entpuppt, der am Ende seiner Mission automatisch sterben wird.

Schuld an der ganzen Misere sind übrigens die Cyanen, eine galaxienweit operierende Kolonialmacht, die virtuelle Räume ihrer Opfer kapert. Die Eroberung findet hierbei ohne das Wissen der Unterjochten statt. Ein späterer Verkauf des Territoriums an den Meistbietenden ist wie im Fall der Erde ebenfalls eine Option. Durch den Kampf der Artenschützer gegen die allgegenwärtigen Usurpatoren konfrontiert Evers Goiko und die Leser mit der ganzen Brandbreite irdischer Probleme und Abgründe: Atomenergie, Fanatismus, Auswüchse des weltweiten Kapitalismus, Verträge mit zweifelhaften Klauseln, oder auch die Bereitschaft der Nationen, lieber gegeneinander Krieg zu führen als miteinander Konflikte zu lösen. Kurzum: Während die Helden versuchen, Erde und Menschheit zu retten, geht beides unaufhaltsam vor die Hunde, wobei die Ankunft des Raumschiffs noch einen beschleunigenden Effekt hat.

Doch „Alles außer irdisch“ ist mehr als ein weiterer Bericht vom Ende der Welt oder eine Glosse über die Berliner Lebensart. Es ist auch eine Liebeserklärung an ein Genre, das „Dr. Who“, „Raumschiff Enterprise“, „Per Anhalter durch die Galaxis“ und viele weitere Klassiker hervorgebracht hat, ohne die unsere Erde etwas grauer und eintöniger wäre. So wird Evers Roman zu einem Erlebnis für Genrekenner, die an den vielen kleinen und großen Anspielungen mit Sicherheit ihre Freude haben werden.

Und dann ist da noch die Signora, das Raumschiff, das sich nur in Goikos Ohren anhört wie ein grantiger Busfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe und mit seinem Berliner Dialekt für weitere kuriose Momente und Schmunzler sorgt, die nur noch durch das Auftauchen eines übelgelaunten Friedrich Nietzsche getoppt werden. Was er und Zarathustra mit der ganzen Geschichte zu tun haben, wird an dieser Stelle nicht verraten.

Horst Evers SF-Debüt „Alles außer irdisch“ bietet überirdisch gute Unterhaltung für Science Fiction-Fans. Berliner Lokalkolorit und überspitzte Pointen machen die Lektüre zu einem amüsanten Leseabenteur, das in den besten Szenen nicht nur eine Hommage an das Genre ist, sondern auch durchaus mit Douglas Adams „Anhalter“ und Stanislaw Lems „Sterntagebücher“ mithalten kann.

Horst Evers: Alles außer irdisch • Rowohlt Berlin, Berlin 2016 • 368 Seiten • € 19,95

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