9. November 2020

Luke Arnolds Roman „Der letzte Held von Sunder City“

Ein fantastischer Hardboiled-Detektivkrimi für Scheibenwelt-Fans

Lesezeit: 3 min.

Den Australier Luke Arnold kennt man vor allem als einen der Hauptdarsteller von „Black Sails“, das zwischen 2014 und 2017 als Game of Thrones der Piraten-Stoffe und des Serienfernsehens ein starkes Prequel zu Robert Louis Stevensons Klassiker „Die Schatzinsel“ bot. Doch Luke Arnold ist nicht nur Stuntman, Schauspieler und Filmemacher, sondern auch Buchautor. Bei Knaur erschien gerade sein erster Roman „Der letzte Held von Sunder City“ in der Übersetzung von Christoph Hardebusch (im Shop) auf Deutsch.

Als Protagonist und Ich-Erzähler dient Fetch Phillips. Er ist ein Privatdetektiv oder, wie er selbst sich nennt, ein Mann für Alles in der Stadt Sunder City. In dieser Metropole einer anderen Welt leben Menschen, Oger, Zwerge, Vampire, Sirenen, Werwölfe, Zauberer, Dämonen, Gnome, Zyklopen und vieles mehr zusammen, wenngleich keineswegs in Eintracht. Denn die nichtmenschlichen Wesen haben alle ihre magischen Attribute verloren, nachdem Fetch und andere seiner Art dafür sorgten, dass der Fluss der Magie versiegte. Jetzt altern Elfen schlagartig und sterben, zerfallen Vampire, verkommen Zauberer und laufen Sirenen die Ehemänner davon. Nach der magischen Apokalypse setzt man in Sunder City voll auf Maschinen, weshalb Luke Arnolds Roman gelegentlich einen Hauch von Steampunk ausstrahlt. Viel öfter fühlt man sich jedoch an die Ankh Morpork-Romane von Terry Pratchetts Scheibenwelt (im Shop) erinnert. Auch Fetch, der aus schlechtem Gewissen nur den einst magischen Geschöpfen hilft, hat im fortschrittlichen Melting Pot Sunder ständig mit Rassismus und Gewalt zwischen den Spezies zu tun. Im ersten Roman soll der Detektiv einen verschwundenen Vampir-Lehrer mit einem Herzen aus Gold aufspüren. Doch alles, was Fetch findet, sind noch mehr Probleme und Hass an diesem einstmals wundersamen, magischen Ort …

Es ist schon erstaunlich: 1930 begründete Dashiell Hammett (1894–1961) mit seinem Roman „Der Malteser Falke“, der bei Kampa kürzlich übrigens in einer guten Neuübersetzung und einer ausgesprochen schicken Hardcover-Ausgabe erschienen ist, das Genre des Hardboiled-Detektivkrimis. Hammett installierte durch seinen Klassiker, der u. a. mit Humphrey Bogart verfilmt wurde, den bis heute gültigen Proto- und Archetypen des hartgekochten, abgebrühten Großstadtschnüfflers, für den die Deduktion keine große Rolle spielt – Hammetts Ermittler Sam Spade war ein Anti-Gentlemen-Detektiv und letztlich ein egozentrischer, falschspielender, schuftiger Antiheld. Die Figuren, der Sound und die Erzählweise von Hammett, der selbst als Pinkerton gearbeitet hatte, beeinflusst bis heute viele Autoren und Werke in allen Medien, nicht zuletzt Cyberpunk-Godfather William Gibson. Überhaupt sind auch Science-Fiction und Fantasy voller Hammett-Erben und Same-Spade-Nachfolger, völlig egal, in was für einem Setting oder in was für einer Welt oder Zeit ermittelt wird. Luke Arnolds Fetch Phillips, den seine Vergangenheit immer wieder einholt und der zu falschen Entscheidungen neigt, bildet da keine Ausnahme; und der lange unauffindbare Vampir ist natürlich der ebenso genre-traditionsreiche MacGuffin dieses Falls, anhand dessen wir Sunder kennenlernen und erkunden.

Exzellentes Worldbuilding und interessante persönliche sowie gesellschaftliche Konflikte machen „Der letzte Held von Sunder City“ jedoch zu einer der großen, angenehmsten Überraschungen dieses literarischen Jahresendspurts – zu einem in vielerlei Hinsicht fantastischen, aufregenden und eigenständigen Hardboiled-Roman in der urbanen Genre-Nachbarschaft von Sir Terrys „Scheibenwelt“-Serie, Simon R. Greens „Nightside“‑Saga, Mike Resnicks „Mallory“-Mehrteiler oder Glen Cooks „Rätseln von Karenta“. Schön, dass im englischsprachigen Original bereits ein zweiter Band vorliegt.

Luke Arnold: Der letzte Held von Sunder City • Knaur, München 2020 • 319 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 14,99 Euro

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