Mein Name ist Monster
Ein postapokalyptischer Roman der Lyrikerin Katie Hale
Darf man in diesen Tagen der globalen Krise, da ein Virus für Schrecken und Ausnahmezustand sorgt, überhaupt guten Gewissens einen postapokalyptischen Roman empfehlen? Und dann auch noch einen, in dem Biowaffen voller Erreger eine gnadenlose Krankheit über die Welt bringen, die sie letztlich unter Qualen entvölkert? Gute Frage. Aber vielleicht kann es auch so betrachtet werden: Wenn man ausgerechnet jetzt einen solchen postapokalyptischen Stoff empfiehlt, muss er wirklich etwas ganz besonderes und das Übertreten der Hemmschwelle wert sein. Womit wir bei Katie Hales Roman „Mein Name ist Monster“ wären, der Ende März erschienen ist.
Hale machte sich in Großbritannien als preisgekrönte Autorin von Gedichten und Musicals einen Namen, bevor sie 2019 mit „My Name Is Monster“ ihr Romandebüt vorlegte. Darin durchwandert eine Frau die leere, raue Welt nach dem Untergang der Menschheit – nur dass sie schon immer lieber für sich war und den körperlichen Kontakt zu anderen stets scheute, wie Rückblicke in ihre Kindheit deutlich machen. Zudem hat sie bereits in jungen Jahren, als sie sich mehr für Mäuseknochen und Maschinen interessierte, den Namen Monster angenommen. Die Apokalypse überlebt Monster in einem norwegischen Saatguttresor, bevor sie mit einem Schiff das Meer meistert und auf den britischen Inseln strandet, wo wilde Hunderudel durch verwaiste Dörfer und Städte streifen. Der Hunger ist Monsters permanenter Begleiter, während sie erkennt, dass es verschiedene Stadien von Einsamkeit gibt – und dass Hoffnung genauso schlimm sein kann wie Hunger. Eines Tages stolpert Monster in den Ruinen der Zivilisation jedoch über ein verwildertes kleines Mädchen …
„Mein Name ist Monster“ dreht sich um das Überleben und um Muttergefühle. Das entscheidende Merkmal von Katie Hales Romanerstling, das eine Empfehlung selbst in Zeiten von Corona legitimiert, ist allerdings nicht die ordentliche, intime Survival-Story. Es ist Hales Schreibstil, der schnell in den Bann zieht und ihr Werk auszeichnet. Die Lyrikerin beweist in der Prosa weiterhin ein fantastisches Gespür für den Rhythmus ihrer Sätze und das Gewicht ihrer Worte. Die Sprache, in denen Monster als Ich-Erzählerin ihr früheres Leben und die harte Postapokalypse beschreibt, ist von betörender, durchdringender Schönheit, und natürlich sollte an dieser Stelle die Arbeit von Übersetzerin Eva Kemper erwähnt werden. Später bedauert man es sogar, dass Hale fast die gesamte zweite Hälfte ihres von „Robinson Crusoe“ und „Frankenstein“ inspirierten Romans nicht mehr aus der Perspektive von Monster erzählt, sondern aus der Sicht des Mädchens. Dessen Blickwinkel und simplere Sprache haben einen eigenen Reiz, aber einfach nicht mehr die präzise Schönheit des Vorangegangenen.
Was nichts daran ändert, dass Katie Hales „Mein Name ist Monster“ mühelos den Kreis der außergewöhnlichen, besonderen literarischen Postapokalypsen betritt, wo die Romane von Margaret Atwood, Peter Heller, Emily St. Mandel und Cormac McCarthy stehen, die der Welt nach dem Ende Grausames, Schönes und Bewegendes abgewinnen.
Katie Hale: Mein Name ist Monster • S. Fischer, Frankfurt 2020 • 384 Seiten • Hardcover: 22,00 Euro
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