26. Mai 2025

„Player Piano“ von Kurt Vonnegut

Der 1952 erschienene Debütroman des Kultautors als Neuübersetzung im Angesicht der KI-Revolution

Lesezeit: 3 min.

Ein Player Piano ist ein selbstständig spielendes Klavier, das seine Musik ohne menschliche Hand erzeugt, früher meist durch Lochkarten oder Rollen. Der gefeierte US-amerikanische Autor Kurt Vonnegut (im Shop) benannte seinen ersten Science-Fiction-Roman nach dem selbstspielenden Instrument, veröffentlichte seine klassische Dystopie 1952 also unter dem Titel Player Piano“ (im Shop) – auf Deutsch firmierte der satirische, anti-utopische Roman bis zur just herausgekommenen Neuübersetzung ebenfalls sehr passend unter dem Titel „Das höllische System“.

In seinem bekanntesten Roman „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“ von 1969, der ihm letztlich zu literarischem Weltruhm verhalf, verarbeitete Kurt Vonnegut seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und als Kriegsgefangener während der Bombardierung Dresdens; zu seinem Roman „Galapagos“ (im Shop) von 1985 inspirierte ihn wiederum eine Kreuzfahrt, die er mit seiner Frau Jill zu den vulkanischen Galapagosinseln gemacht hat. „Player Piano“ indes speist sich aus Vonneguts Zeit beim Konzern General Electric, wo er unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gearbeitet und den Aufbruch in ein neues industrielles Zeitalter der Fabrikmaschinen erlebt hatte.

Im Roman, der auch von Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ beeinflusst wurde, beschreibt Vonnegut ein Amerika, in dem die Ingenieure für vollautomatisierte Fabriken gesorgt haben, die nur noch Manager, keine Arbeiter mehr benötigen. Sie genießen den Status, den Reichtum und die Annehmlichkeiten, alle anderen fristen in dieser extrem gespaltenen, geteilten Gesellschaft nach dem nächsten Weltkrieg ein Schattendasein. Fabrikleiter Dr. Paul Proteus beginnt seine Entwicklungsreise im Roman auf der Seite der Maschinenmacht, wandert im Verlauf der Geschichte jedoch in kritischere Gefilde – und handelt sich damit eine Menge Probleme und Ärger ein …

„Player Piano“ ist vor allem stilistisch noch kein durch und durch typischer Vonnegut, aber trotzdem schon in vielen Aspekten unverkennbar, alleine schon was den satirischen und damit gesellschaftskritischen Gesamtansatz angeht. Den mega-vergnügliche Vonnegut-Sound aus etwa „Die Sirenen des Titan“ (im Shop) gibt es dagegen noch nicht ganz, vieles lässt sich allerdings bereits erahnen. Die Neuübersetzung stammt übrigens von Peter Torberg, dessen Portfolio auch neue Übertragungen von Klassikern wie Bradburys „Fahrenheit 451“, Goldings „Herr der Fliegen“, Kiplings „Das Dschungelbuch“ oder Twains „Die Abenteuer von Tom Sawyer“ bereithält – gerade eben erst ist außerdem der letzte Band seiner Neuübersetzung aller „Kenzie & Gennaro“-Romane von Dennis Lehane erschienen. Darüber hinaus hat Torberg Gary Disher, John le Carré, Adrian McKinty, Paul Auster, James M. Cain, Patricia Highsmith, Daniel Woodrell, Walter Mosley und weitere Hochkaräter übersetzt. Vonnegut fügt sich also gut in diese illustre Liste ein.

Und so spricht der vor fast 20 Jahren verstorbene Kultautor in der Neuübertragung seines Debüts, aus der Anfangszeit des Computerzeitalters und unter dem Eindruck einer anderen industriellen Revolution, in seinem dystopischen Roman zu uns Menschen im Jahr 2025, die wir uns trotz veränderter Vorzeichen einem weiteren maschinenbefeuerten Systemwechsel gegenübersehen – und im Wochentakt so gut wie jeden Fehler zu machen scheinen, den wir im Umgang mit den bisweilen potentiell höllischen System der KI nur machen können. Bloß wenige Tage nach Erscheinen dieser Ausgabe von „Player Piano“ hat ein deutsches Oberlandesgericht per Eilentscheidung für Meta und gegen den Verbraucherschutz entschieden, da man im Zweifelsfall lieber im „Interesse der Datenverarbeitung“ handeln wolle, wenn es um US-Großkonzern Meta und dessen KI-Training mit Nutzerdaten geht.

Kurt Vonnegut: Player Piano • Roman • Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg • Heyne, München 2025 • 464 Seiten • Erhältlich als Paperback & eBook • Preis des Paperbacks: 17,00 € • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – 2024 ist bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“ erschienen.

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