„Providence“ von Max Barry
Ein großer Krieg im All, ein riesiges Raumschiff und eine krasse KI
Der Erstkontakt der Menschheit mit einer außerirdischen Spezies ist nicht gut verlaufen. Bald schon befinden sich die Erdenbewohner und die monströsen Salamander in einem Krieg, der im Weltraum tobt. Aus Sicht der Menschen wird der Konflikt mittlerweile primär mit gewaltigen Raumschiffen wie den Schlachtkreuzern der Providence-Reihe geführt. Providence Five heißt das neueste und modernste Schiff, das ins All geschickt wird. Es ist fünf Kilometer lang, wiegt eine Million Tonnen, starrt vor durchschlagenden Waffensystemen und hat eine Armee aus Roboterkrabben an Bord, die sich um alles kümmern. Eine passend große und mächtige künstliche Intelligenz hält das Schiff selbstständig am Laufen und trifft ohne menschliches Zutun alle Entscheidungen für die Route in die Tiefen des Weltraums oder die Gefechte mit den Salamandern. An Bord befinden sich daher gerade einmal vier Menschen, die unter großem Tamtam ins All verabschiedet worden sind: Eine Veteranin als Captain, ein nerdiger Systemtechniker, ein gut aussehender, aber erratischer Waffenspezialist und eine manipulative Expertin für Human Resources. Das Quartett hat genug Zeit, einander auf den Keks zu gehen, durchzudrehen und Social Media-Clips für die Armee zu drehen. Bis ihnen klar wird, dass die Aliens eine ebenso große Gefahr für ihr Leben darstellen wie die genauso fremdartige, nichtmenschliche KI der Providence Five …
Der 1973 geborene Australier Max Barry (im Shop) ist ein verlässlicher Lieferant von interessanten, oftmals satirischen Genre-Romanen. Barry, der früher Computersysteme für Hewlett-Packard verkaufte, schrieb bereits über die Absonderlichkeiten der modernen Geschäftswelt („Sirup“, „Chefsache“), über die Verschmelzung von Mensch und Maschine („Maschinenmann“) und über eine grell-dystopische, von Konzernen gelenkte Welt („Logoland“). Und jetzt also über ein gigantisches Kriegsraumschiff, das Menschen eigentlich nur als Social Media-Repräsentanten für die Propaganda daheim auf dem blauen Planeten braucht. Allerdings serviert Max Barry in „Providence“ (im Shop) die Satire und die Kritik hinsichtlich Krieg und künstlicher Intelligenz nie auf dem Silbertablett, man muss sie schon selbst erkennen – „Starship Troopers“ lässt grüßen, wie ein treffender Blurb auf dem Einband feststellt. Auch sonst kommt „Providence“ selten wie der Roman daher, der man womöglich erwartet, egal ob man nun als Fan von Max Barry oder als Fan von Science-Fiction mit großen Schlachtschiffen an die Sache herangeht. Das beste Beispiel ist direkt der titelgebende Raumkreuzer: Dessen KI spricht nie heimtückisch-süß oder soziopathisch-mörderisch mit der Besatzung – viel mehr wirkt diese künstliche Intelligenz so groß, andersartig, schwer zu erfassen und unmenschlich wie ein kosmischer Gott aus einer Geschichte von H. P. Lovecraft, dem Weird-Fiction-Altmeister aus Providence in Neuengland.
Max Barry gelingt es nach 20 Jahren, einem halben Dutzend Romanen und vielen Entwicklungen in unser aller Leben noch immer, die Stereotypen unserer fortschrittlichen Wirklichkeit sowie der Genreliteratur in Romanen abseits des Standards zu behandeln.
Max Barry: Providence • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 400 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 11,99 • im Shop
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