4. August 2021

Neil Gaimans „Nordische Mythen und Sagen“ als Comic

P. Craig Russell, Mike Mignola und Co. adaptieren Loki und Thor

Lesezeit: 2 min.

Marvels multiversale Zeitreisenummer „Loki“ auf Disney+ zählt allein wegen ihrer Attitüde zwischen „Avengers“ und „Doctor Who“ – und trotz einiger Tempoprobleme – sicher zu den interessanteren Serien des Jahres. Überhaupt sind der listenreiche Loki, sein hammerschwingender Bruder Thor und die übrigen Asen dank Marvel seit einigen Jahren wahnsinnig präsent in unserer Popkultur. Auch Ausnahmeautor Neil Gaiman (im Shop) lernte die Asen in seiner Kindheit über Marvels „Thor“-Comics von Stan Lee, Larry Lieber und Jack Kirby kennen, bevor Gaiman sich mit entsprechenden Nacherzählungen in Buchform versorgte. Und nachdem Odin und Co. schon in Gaimans „Sandman“ und „American Gods“ vorkamen, legte der moderne Fantastik-Meister 2017 mit „Nordische Mythen und Sagen“ seine eigene Nacherzählung vor. Dafür opferte er, vermutlich aus Respekt vor dem Quellenmaterial, sogar ein Stück weit seine markante Erzählstimme. Nun ist der erste Band einer Comic-Adaption von „Nordische Mythen und Sagen“ bei Splitter auf Deutsch erschienen.

Durch den Abstand zu Gaimans gedrosselter Prosa und den zusätzlichen grafischen Filter, funktioniert das alles gleich eine Ecke besser – mehr „Thor“ oder „Fables“ als Gaiman-mit-Abstrichen. Es kommt einem fast so vor, als würde man die „wahre Geschichte“ der Asen lesen: Wie die Welt und die Menschen entstanden, wie Thor seinen Hammer Mjolnir bekam, wie Asgards gewaltige Schutzmauer gebaut wurde, wie der riesige Fenriswolf in Fesseln landete – und was Lokis Lügen (immer wieder Loki!) mit all dem zu tun haben. Doch nicht bloß Loki, auch Odin, Balder, Sif und die anderen Götter werden oft als hinterlistig und grausam dargestellt, sind nicht unbedingt Sympathieträger in diesen mythischen Märchen. Und bei Marvel würde Loki, Alligator-Loki hin oder her, vermutlich nie Sex in Tierform haben. Bei Gaiman und so auch in diesem Comic schon.

Und natürlich hilft das versammelte künstlerische Talent. P. Craig Russell hat es sich nach Comics über Hellboy, Conan und Dr. Strange sowie seinen Adaptionen von Moorcock, Mozart, Wagner und Wilde scheinbar zur Lebensaufgabe gemacht, Gaimans Prosa so geschlossen wie möglich in Panel-Form zu gießen – Comic-Versionen von „American Gods“, „Coraline“ und vielen mehr gehen auf sein Konto. Mit Hellboy-Vater Mike Mignola („Corum“), Veteran Jerry Ordway („Superman“, „The Power of Shazam!“), David Rubín („Rumble“, „Sherlock Frankenstein and the Legion of Evil), Piotr Kowalski („Der Dunkle Turm“) und Jill Thompson („Wonder Woman“, „Sandman“, „Beasts of Burden“) stehen ihm und den Asen sehr unterschiedliche, aber sehr gute Zeichner zur Seite. Neil Gaiman ist der Herr der Comic-Träume, mit „Nordische Mythen und Sagen“ erfüllte er sich einen Traum als Autor – nun erstrahlt dieser bunte Märchentraum von Asgard dank grafischer Aufbereitung in neuem Glanz. Am Ende sollen es drei Bücher werden, im Anhang des ersten Sammelbandes warten noch eine Cover-Gallery, Skizzen und ein paar Künstlerkommentare.

Stan Lee und Jack Kirby hätte dieser bunte Comic über Loki, Thor, Odin und Co., obwohl echtes Marvel-Kontrastprogramm, sicher gefallen.

Neil Gaiman, P. Craig Russell, Mike Mignola, Jill Thompson u. a.: Nordische Mythen und Sagen Bd. 1 Splitter, Bielefeld 2021 • 176 Seiten • Hardcover: 25 Euro

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.