16. Mai 2020 1 Likes

Prinz Gigahertz und die Postapokalypse

Von Rittern und Robotern: Ein Science-Fantasy-Comic von Lukas Kummer

Lesezeit: 3 min.

Ab 1937 veröffentlichte der kanadische Künstler Hal Foster seinen einflussreichen Comicstrip-Klassiker „Prince Valiant“ alias „Prinz Eisenherz“. Jeden Sonntag erschien in den gedruckten US-Zeitungen eine bunte Seite mit den Abenteuern des Prinzen von Thule, die Foster in einem pseudohistorischen Mittelalter ansiedelte, das er in seinem realistischen Illustrationsstil mit vielen Details zum Leben erweckte. Springen wir rund 80 Jahre in die Zukunft. 2019 startete der in Österreich geborene, heute in Kassel lebende Künstler Lukas Kummer eine Kickstarter-Kampagne, um sein neues Comic-Projekt „Prinz Gigahertz“ zu finanzieren. Kein ganzes Jahr später erscheinen die ersten Kapitel von „Prinz Gigahertz“ nun als Webcomic auf der Plattform Falotten Comics, die Kummer und Kollege Adrian Richter für die kostenlose Verbreitung ihrer Bildergeschichten im Netz eingerichtet haben. Außerdem gibt es beim Zwerchfell Verlag („Die Toten“) einen Print-Sammelband von „Prinz Gigahertz“, obwohl Kummer seine Leser künftig vor allem online erreichen will.

Es waren einmal, vor langer Zeit, in einer anderen Welt, ein Ritter und ein Dämon, der ihn durch die Wüste jagte. So beginnt die bunt gehaltene, erfreulich kantig gezeichnete und vermeintlich vereinfacht visualisierte Geschichte von „Prinz Gigahertz“. Als Setting dient eine mittelalterliche Arthus-Welt, die der große Wumms nach einer Atombombenexplosion mit Zerfall, Elend, Mutanten und Kannibalen gefüllt hat. Hinzu kommt, dass es sich bei der Magie dieser Fantasy-Postapokalypse um Technologie handelt, die aus einer anderen Dimension stammt und gelegentlich wie vom Himmel fällt. Da passt es nur, dass der größte aller Ritter sich mit der Technik auskennt – und dass der Dämon, der ihn 30 Jahre nach dem großen Wumms jagt, in Wahrheit ein intelligenter Kampfroboter ist, dessen Laserstrahl reihenweise Gegner zerteilen kann …

Lukas Kummer inszenierte mit „Die Verwerfung“ (Zwerchfell) und „Gotteskrieger“ (Tintenkrieger) bereits zwei historische Comic-Romane. Zuletzt adaptierte er in „Die Ursache“ und „Der Keller“ (beide Residenz Verlag) autobiografische Schriften des bekannten österreichischen Autors Thomas Bernhard in Comic-Form. Schon in seinen Bernhard-Comics wählte Kummer formal einen hochinteressanten Ansatz und setzte auf eine reduzierte, zugleich faszinierend repetitive visuelle Gestaltung mit klaren, sehr geometrischen Formen und Linien. Seit „Die Verwerfung“, für das er den Independent Comic Preis des ICOM-Verbandes erhielt, ist der vielseitige Österreicher künstlerisch noch einmal spürbar gewachsen. Das kommt „Prinz Gigahertz“, dessen Prinz Eisenherz-Hommage im Titel der englischsprachigen Webfassung leider verloren geht, von Anfang an zugute.

Stilistisch, perspektivisch und farblich dezimiert und abstrahiert Kummer gekonnt – und doch sieht das immer ausgesprochen reizvoll aus, wobei die Optik an „Head Lopper“ des Amerikaners Andrew MacLean erinnert, dessen Geschichten anfangs gleichfalls in Eigenregie herauskamen und heute beim US-Verlag Image publiziert werden. Inhaltlich enthüllt Kummer nach der eröffnenden Referenz an Stephen Kings „Der Dunkle Turm“ (im Shop) Stück für Stück die Geschichte seines Protagonisten, und parallel die Mechanik seines Settings und seiner Story. Science-Fiction-Fans kommen trotz der vielen Ritter garantiert voll auf ihre Kosten. Überhaupt spielt Kummer geschickt mit den Vorbildern, Klischees und Grenzen der fantastischen Genres. Diese oft selbst von Fans sklavisch eingehaltenen Grenzen überquert Kummer sogar mit beeindruckender Leichtigkeit. Allein das Hitler-Bärtchen für den Bösewicht hätte es nicht gebraucht.

Mit „Prinz Gigahertz“ stellt Kummer abermals seine Vielseitigkeit und seine kreative Energie unter Beweis. Die englischsprachige Szene hat den Fantasy-Kracher „Head Lopper“ – wir haben Lukas Kummers Science-Fantasy-Knüller. Völlig egal, ob gedruckt oder digital, ob als Buch oder auf dem Tablet: „Prinz Gigahertz“ gehört zu den fantastischen Panel-Werken, die man dieses Jahr lesen muss, wenn man ein Herz für gute Comics hat.

Abbildungen: © Lukas Kummer

Lukas Kummer: Prinz Gigahertz • Zwerchfell, Stuttgart 2020 • 120 Seiten • Hardcover: 18 Euro

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