23. Oktober 2020 1 Likes

„The Beach House“ - Minimalistischer Horror vor paradiesischer Kulisse

Schauerstück à la Lovecraft im TUI-Ambiente

Lesezeit: 3 min.

Kleine Warnung zu Anfang: Der unten verlinkte Trailer folgt der unsäglichen Macke der Trailer-Macher der letzten Jahre, den Zuschauern den halben Film vorab unter die Nase zu reiben. Vor allem bedauerlich, weil ein ganz bestimmter, besonders schockierender, unangenehmer Moment angekündigt wird und damit die Überraschung passé ist, denn die erste Hälfte von „The Beach House“ lässt nicht unbedingt auf den Rest schließen.

Erzählt wird von einem jungen Paar, Emily (Liana Liberato) und Randall (Noah Le Gros), das Urlaub in einem Strandhaus machen will, dabei aber feststellt, dass es nicht alleine ist, denn ein weiteres Paar, Mitch (Jake Weber) und Jane Miller (Maryann Nagel), alte Freunde von Randalls Vater, ist auch da. Nach anfänglichen Irritationen, beschließen aber beide Parteien zu bleiben, das Haus ist schließlich groß genug. Man kommt sich am Abend dann sogar so nahe, dass beschlossen wird, gemeinsam Hasch-Schokolade zu futtern. Allerdings muss das Quartett dann plötzlich feststellen, dass seltsame leuchtende Mikroben den Strand und die Bäume bedecken und ein seltsamer Nebel aufsteigt …

Und wieder ein derart gelungenes Regie-Debüt, das man beim Abspann gleich wieder panische Angst bekommt, dass der Regisseur der nächste ist, der in der Hollywood-Mühle sein künstlerisches Leben aushaucht. Das wäre in diesem Fall besonders schade, denn Jeffrey A. Brown macht eindrucksvoll vor, wie man aus ganz wenig so viel mehr macht und begeistert mit einem minimalistischen, aber absolut stilsicher in Szene gesetzten Nature-strikes-back-Horror, der im Corona-Zeitalter noch ein Stück eindringlicher wirkt, als wahrscheinlich beabsichtigt war.

Der Film steht dabei ganz in der Nähe von Richard Stanleys toller Lovecraft-Adaption „Die Farbe aus dem All“ (2019) und erinnert gleichzeitig ein wenig an John Carpenters Evergreen „The Fog“ (1980), ohne aber je zur Blaupause zu verkommen. Dafür sorgt allein schon die sehr reduzierte, zurückhaltende und ruhige Herangehensweise: Brown nimmt sich ausgiebig Zeit seine junge Protagonisten und deren Konflikte vorzustellen. Emily will Astrobiologie studieren und ist nicht an einem bürgerlichen Leben interessiert, schafft es aber nicht, sich gegenüber Randall zu emanzipieren, der eher im Hafen der Ehe anlegen will und keinen Bock auf Bildung hat. Mitch und Jane reagieren darauf eher mit Befremden, lassen sich aber um einer vermeintlichen Harmonie willens nichts anmerken. Es ist diese Passivität der Charaktere, der Menschen, an die – ohne eine direkte Aussage zu treffen – unmittelbar die langsame hereinbrechende Katastrophe gekoppelt wird, die den Film auch in visueller Hinsicht aufbricht. Das bis dato so intime Kammerspiel fließt in eine Reihe von visuell prächtig gestalteten Abschnitten und endet in einem erfreulich kompromisslosen Finale. Bemerkenswert ist hierbei, dass in einem seiner stärksten Momente klassische Horror-Standards invertiert werden, denn der Schrecken spielt sich nicht in der Dämmerung oder in der Nacht ab, sondern am hellen, sonnigen Tag, unter blauen Himmel, an einem einsamen, Furcht erregend makellosen Strand.

Leider entgleitet Brown sein so präzise durchkomponiertes Vier-Personen-Schauerstück (das zudem noch mit einem exzellenten Industrial-/Noise-Soundtrack des Dubstep-Veteranen Roly Porter begeistert) in den letzten Minuten etwas und die schlussendliche Auflösung des Geschehens hätte etwas raffinierter eingeflochten werden können, aber das ändert nichts dran, dass man sich an „The Beach House“ noch eine ganze Weile erinnern wird.

„The Beach House“ läuft seit dem 22.10.2020 im Kino. Abb.: Koch Films

„The Beach House“ (USA 2019) • Regie: Jeffrey A. Brown • Darsteller: Liana Liberato, Noah Le Gros, Jake Weber, Maryanne Nagel, Michael Brumfield, Matt Maisto, Steven Corkin, Dan Zakarija

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