27. Februar 2020 2 Likes

Das Unsichtbare sichtbar machen

Leigh Whannell gelingt mit „Der Unsichtbare“ eine bemerkenswerte Neuauflage eines klassischen Stoffes

Lesezeit: 3 min.

Unsichtbarsein. Das ist nicht nur ein beliebter Topos in Romanen und Filmen des Fantastischen, nicht erst seit H.G.Wells 1897 seinen Roman „Der Unsichtbare“ veröffentlichte. Sich Unsichtbarfühlen ist auch eine Erfahrung, die manche gesellschaftliche Gruppe machen muss. Die Erfahrung der schwarzen Amerikaner, von der weißen Mehrheit nicht gesehen zu werden, verarbeitete Ralph Ellison etwa 1952 in seinem großartigen Roman „Invisible Man“. Eine andere Gruppe, die oft beklagt nicht gesehen und in Folge dessen nicht gehört zu werden, sind Opfer von häuslicher und/oder sexueller Gewalt und genau darum geht es in einer bemerkenswerten, höchst originellen Neuverfilmung von „Der Unsichtbare.“

Offiziell basiert zwar auch diese Blumhouse-Produktion auf dem Roman von H.G.Wells, doch Leigh Whannells Version erinnert in seiner kongenialen Mischung aus hochspannenden Genremotiven und pointierter Verwendung gesellschaftlicher Subtexte mehr dem Oscar prämierten Erfolgsfilm „Get Out“, als früheren Verfilmungen des Stoffes.

Allein das nicht der Unsichtbare selbst, der auch hier Griffin heißt, allerdings Adrian (Oliver Jackson-Cohen), die Hauptfigur ist, sondern seine Frau Cecilia (Elisabeth Moss), deutet die Verschiebung des Fokus an. Gleich in der ersten Szene flieht Cecilia vor ihrem Mann, entkommt aus dem gemeinsamen modernistischen Haus, das mit seiner von Beton und Glas geprägten Architektur wie eine Festung wirkt. Vom ersten Moment an, lange bevor tatsächliche eine unsichtbare Person, nun, nicht zu sehen, aber zu spüren ist, arbeitet Whannell mit suggestiven Kameraeinstellungen, deutet an, dass da etwas ist, das frau sich zu Recht beobachtet fühlt.


Die Putzfrau hatte wirklich schlampig gearbeitet …


… aber wer glaubt einem das schon? „Der Unsichtbare“, Universal

Das Gefühl, verfolgt zu werden kann Cecilia nur kurz ablegen, denn auch wenn es bald so scheint, dass sich Adrian das Leben genommen hat, ahnt sie schnell, dass er es ist, der sie verfolgt, der sie nicht in Ruhe lässt, der ihr Leben zerstören will. Immer krasser werden die Angriffe des Unsichtbaren, doch niemand glaubt Cecilia, die statt dessen zunehmen als hysterische Frau erscheint, die sich einbildet, verfolgt zu werden. Der also genau das widerfährt, was allzu viele Frauen erleben, wenn sie versuchen, sich von einem übergriffigen Mann zu trennen, der mal liebreizend, mal brutal und kontrollierend agiert. Außenstehende bekommen dabei meist nur die erste Version zu sehen, weswegen es oft schwer fällt, der Bedrohten zu glauben, eine Erfahrung, die wohl leicht als Gefühl der Ohnmacht, ja, des Unsichtbarseins empfunden werden kann.

Die Sorge, dass diese sehr zeitgemäße Neuinterpretation des Stoffes zu einem allzu politisch korrekten #metoo-Film wird, erfüllen sich zum Glück nicht. Whannell gelingt es mit hervorragender Kameraarbeit das geringe Budget vergessen zu machen. Spektakuläre Effekte wie etwa in Paul Verhoevens „Hollow Man“ darf man hier zwar nicht erwarten, dafür eine brillante Elisabeth Moss, die sich im Laufe des Films vom verschreckten Missbrauchsopfer zu einer starken Persönlichkeit entwickelt und ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Am Ende dieses herausragenden Genre-Films ist sie zum ersten Mal das, was jedes Opfer von Missbrauch und Verfolgung sein sollte: Sichtbar.

„Der Unsichtbare“ startet am 27. Februar im Kino. Abb.: Universal Pictures

Der Unsichtbare • USA 2020 • Regie: Leigh Wannell • Darsteller: Elisabeth Moss, Oliver Jackson-Cohen, Aldis Hodge

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