7. Oktober 2018 1 Likes

Lovecraft halbgar

„Cold Skin“: Viel zu ängstlicher Öko-Horror – macht garantiert nicht heiß!

Lesezeit: 3 min.

Xavier Gens empfahl sich 2007 mit dem gelungenen „Frontière(s)“ als Vertreter der damaligen kleinen Welle an französischem Brutalo-Horror, der halbverdursteten Genrefans mit beeindruckender Grimmigkeit und der ganz großen Blutwurst im Gepäck eine attraktive Variante zum Teenie-Gekasper der US-Kollegen anbot.

Gens war aber ebenso wie seine damaligen Kollegen aus der extra würzigen Abteilung ein Regisseur, der das gegebene Versprechen nie wirklich halten konnte. Bei der von Produktionsschwierigkeiten geplagten Computerspieladaption „Hitman“ (2007) bekam der Frischling die Knute einer Big-Budget-Produktion zu spüren und musste gegen Ende des Projekts den Hut nehmen, weil seine Vorstellungen von denen der Geldgeber offenbar etwas arg abwichen, der Actionthriller wurde von einem weiteren, offiziell allerdings nicht genannten Regisseur fertig gestellt (wobei das erwartungsgemäß maue Resultat trotz allem immer noch einen Tick ansehnlicher ausfiel als der 2015 von Aleksander Bach fabrizierte Totalausfall). Mit dem deutlich günstigeren „The Divide“ (2011) machte Gens wieder etwas mehr Land gut. Dennoch sollte es satte sechs Jahre bis zu „Cold Skin“ dauern, der Verfilmung eines Romans von Albert Sánchez Piñol („Im Rausch der Stille“) – hat sich die lange Wartezeit gelohnt? Nein, nicht wirklich.

Eine nie beim Namen genannte Hauptfigur (David Oakes) kommt 1914 als Wetteroffizier auf eine gottverlassene Insel am Südlichen Polarkreis. Die Behausung des verschwundenen Vorgängers, die dem Engländer als Unterkunft dienen soll, ist völlig verwahrlost. Der einzig weitere Mensch in dieser Einöde findet sich in einem zu einer Festung ausgebauten Leuchtturm, der vom wunderlichen Gruner (Ray Stevenson) bewohnt wird. Doch nachts wird klar, dass in der vermeintlichen Einsamkeit große Gefahren lauern, denn aus dem tosenden Meer steigen humanoide Wesen, mit nicht unbedingt friedfertigen Absichten…


Zwei Männer im Leuchtturm…


… und die Fischsuppe, die nicht in den Topf will – „Cold Skin“

So weit, so (natürlich) Lovecraft, was selbstverständlich nicht die schlechteste Referenz ist. Und auch sonst klingt auf dem Papier alles prima: Mit David Oakes und vor allem Ray Stevenson sind zwei exzellente Darsteller an Bord, die keine Mühe haben ein Quasi-Kammerspiel zu schultern, die auf Lanzarote und Island gedrehten Naturaufnahmen sind herrlich und das Design der Monster überzeugt als unheimliche Variante der Neo-Schlümpfe aus „Avatar“. Trotzdem: Gerade Lovecraft hätte den Film gehasst. Wieso? „Cold Skin“ fühlt sich an als ob Gens – vielleicht auch weil er hier über das größte Budget seiner Karriere verfügen konnte – jede Menge Zugeständnisse machen musste. Anstatt den atmosphärischen, kraftvollen Bildern der ersten Minuten zu vertrauen und behutsam Atmosphäre und Spannung zu installieren, sieht sich „Cold Skin“ ganz der Ereignishektik des modernen Mainstream-Kinos verpflichtet und dementsprechend rumpelt bereits nach kürzester Zeit die Monster-Action rein, die sicherlich anfänglich noch Eye-Candy bietet, aber nach wiederholten Angriffen recht schnell fad wird, da halt immer gleich: Zwei Typen ballern auf Viecher aus dem See. Leider hält aber auch der Plot nicht bei Stange und daran ändert selbst der einsatzfreudige Ray Stevenson nichts, der in einer Szene pudelfasernackt auf der Brüstung des Leuchtturms steht und seine Fahne im Wind baumeln lässt. Schon der unsubtil reingedonnerte Nietzsche-Zitatklassiker zu Anfang des Films (exakt, der mit dem Abgrund und den Ungeheuern) lässt ahnen, hinter welchem Busch sich der Hase versteckt und richtig: Es kommt, wie es kommen muss, die Bösen sind nicht die im Wasser, sondern die im Leuchtturm. Das ist sicherlich legitim, aber für die fast zweistündige Laufzeit einfach zu wenig. Bedauerlichweise wird das dünne Geschehen auch noch mit überdramatischer Musik zugedonnert, die punktgenau vorgibt, welchen Emotionsschalter der Zuschauer wann umlegen soll.

Filme wie „Cold Skin“ sind im Prinzip noch tragischer als tatsächlich schlechte Filme: Die richtigen Ressourcen sind vorhanden, der Griff nach den Sternen läge auf der Hand, aber die Angst vor der eigenen Courage sorgt dann doch wieder nur für bequemen Stillstand.

„Cold Skin – Insel der Kreaturen“ ist gerade bei Tiberius als DVD, Blu-ray und VOD erschienen.

Cold Skin (Spanien/Frankreich 2017) • Regie: Xavier Gens • Darsteller: Ray Stevenson, David Oakes, Aura Garrido, Winslow Iwaki, John Benfield, Ben Temple, Iván González, Alejandro Rod

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