5. August 2024

„Rebel Moon“ (1 & 2) – Director’s Cut

Tagträume eines 11-jährigen

Lesezeit: 5 min.

Die familienfreundliche Fassung von „Rebel Moon“, einer zweiteiligen Space-Opera von Enfant terrible Zack Snyder, wurde von Kollege Meyns bereits angenehm ausgewogen besprochen (Teil 1, Teil 2). Nun ist der Director’s Cut da, beide Teile haben neue Titel („1: Kelch des Blutes“/ „2: Fluch der Vergebung“) und mehr Gewalt, mehr Sex und mehr Handlung zu bieten, können aber auch nicht verhindern, dass sich erneut eine Welle an schlechten Kritiken, an Häme und Hass über das Werk ergießt. Was in den meisten Fällen wohl eher mit dem Umstand zu tun hat, dass Zack Snyder auf dem Regie-Stuhl saß, als mit der tatsächlichen Qualität des nun über sechsstündigen Epos’. Dazu kommt natürlich noch der Umstand, dass „Rebel Moon“ einst als Beitrag zum „Star Wars“-Franchise konzipiert, von Disney allerdings abgelehnt wurde, was natürlich impliziert, dass Snyders Vision nicht gut genug für den Sternenkrieg war. Großer Ballast also.

Ich glaube, der Schlüssel zu „Rebel Moon“ im Speziellen und Zack Snyder im Generellen liegt in einer Interviewaussage des Regisseurs, laut der der Grundstein seines aktuellen Films bereits im Alter von 11 Jahren gelegt wurde, als er direkt nach der Sichtung von „Star Wars“ begann, von seinem eigenen Science-Fiction-Epos zu träumen. Wer sich nun an seine eigene Kindheit erinnert oder mit dem eigenen Nachwuchs über Filme gesprochen oder ihnen beim Nachspielen von Gesehenem beobachtet hat, wird bemerkt haben, dass die Welt von Kindern eine ganz andere ist, als die der Erwachsenen. Da gibt es keine zweite Ebene, keine Ironie, keinen Zynismus, nichts, was Distanz aufbaut. Kinder nehmen die Welt unmittelbar, eins zu eins, wahr, haben einen reinen Blick, tauchen in das, was sie sehen, mit ungefilterter Emotionalität ein. Und für kleine Jungs gilt vor allem eins: Helden sind Helden, Bösewichte sind Bösewichte. Es gibt Sieg, es gibt Niederlage. Punkt.

George Lucas hatte mal die umstrittene Meinung geäußert, dass es sich bei „Star Wars“ um einen Kinderfilm handelt. Ob das so stimmt, sei dahingestellt, was man aber mit Sicherheit festhalten kann: „Rebel Moon“ ist der Film eines Kindes. Eines ewig 11-jährigen, das 166 Millionen Dollar Taschengeld dazu genutzt hat, endlich seinen ganz eigenen Sternenkrieg wahr werden zu lassen. Zu diesem Zweck wurde unbefangen einfach alles eingebaut, was mit juveniler Leidenschaft aufgesogen wurde, alles was die Augen zum Glänzen bringt – und das gilt nicht nur für „Star Wars“ und Filme wie „Die sieben Samurai“ (1954), „Excalibur“ (1981), „Herr der Ringe“ (2001-2003), „Inglourious Basterds“ (2009) oder „Prinzessin Mononoke“ (1997), sondern genauso für Heavy-Metal-Cover, Warhammer oder japanische Tentakelsex-Animes.

Und diese eklektizistische Welt ist ganz genau so gemeint, wie sie entfaltet wird. Es gibt keine zweite Ebene, keine Ironie und obwohl im Director’s Cut eine Menge mehr Blut spritzt, wird die Grundausrichtung nie zynisch.

Die Protagonisten sind Helden, die Sätze wie „Güte ist eine Tugend, für die es sich zu sterben lohnt“ oder „Wenigstens sterbe ich auf der Seite der Ehre“ sagen. „Rebel Moon“ ist ein Film, in dem ein langhaariger „Conan“-Verschnitt, der dank fortlaufender Waschbrettbauch-Präsentation niemals Oberbekleidung trägt, mit nachdenklichem Gesicht Auskünfte wie „Ich weiß so ein, zwei Dinge über Schuldgefühle“ erteilt. Und natürlich ist der Bösewicht einfach nur bitterböse und direkt beim ersten Erscheinen derart sadistisch und brutal, dass selbst überzeugte Pazifisten seinen Tod herbeilechzen werden.

So platt sie alle auch sind, Snyder ist spürbar begeistert von seinen Figuren und nicht nur von ihnen.

Wie der Zeitlupen-besessene Regisseur tickt wird, vielleicht am besten in der von Michael Meyns bereits zitierten Weizenfeld-Szene klar. Die Farm war für Snyder das bisher größte Set überhaupt, es wurde extra ein Feld angelegt, Snyder zeigte sich von diesem Umstand äußerst begeistert und merkte an, unheimlich viel über Weizen gelernt zu haben und das beim Dreh tatsächlich Weizen geerntet wurde. Der Enthusiasmus quillt regelrecht vom Bildschirm: Es dürfte wohl keinen zweiten Film geben, in dem eine simple Ernte zu einem über zehnminütigen Großereignis mit Ethno-Musik und Linsenreflexionen aufgeblasen wird, in dem Weizen durch die Luft fliegt oder ein verschwitzter, oberkörperfreier Arbeiter sich mit erfrischendem Wasser übergießt – natürlich in Zeitlupe!

Das kann man natürlich alles bekloppt finden, man kann das in seiner irgendwie süßen Naivität aber genauso genießen und in der maximalen Zugespitztheit Komik sehen. Hass hat Snyder jedenfalls nicht verdient. Man sollte ihn höchstens dafür die Löffel lang ziehen, dass er es bereits in der ersten Version mit den ohnehin weitgehend überflüssigen Backgroundstories zu seinen Figuren übertrieben hat, zumal die sich nicht sonderlich unterscheiden, Hauptsache tragisch halt. Und nun wird nicht nur Koras Backstory erweitert, es kommt noch eine komplett Neue hinzu: Admiral Noble macht in einer neuen, 25-minütigen Eröffnungsszene – eine Hintergrundstory der Nebenfigur (!) Aris – ein weiteres Mal eindringlich klar, dass Darth Vader eigentlich gar kein so übler Typ ist.

Ist der Director’s Cut nun der ganz andere Film, der einem die Promotrommler versprochen haben? Nein, natürlich nicht. Wer bereits die vorherige Version nicht mochte, wird hier ebenso wenig glücklich, alle anderen sollten aber mehr oder weniger zufrieden sein. Die Actionszenen sind nun blutiger und mit dem Blut hat sich der Schnitt deutlich verbessert, das ist jetzt alles viel runder. Des Weiteren gibt es zwei Sexszenen mit Kora (Sofia Boutella), die sogar eine gewisse dramaturgische Funktion erfüllen. Nicht zwingend nötig, aber in diesen keimfreien Zeiten ist Sex nie wirklich verkehrt. Womit wir bei Admirals Nobles verlängerter Tentakelsexszene sind – ein eigentlich eher sinnloser, aber schön irritierender, amüsanter Gaga-Moment, den man in einer 166-Millionen-Dollar-Produktion nun wirklich nicht erwartet. Ansonsten gibt es vor allem Handlungserweiterungen: Unter anderem findet sich ein neuer Subplot um eine Cyber-Frau, die als Maschine des größten Motherworld-Raumschiffts fungiert. Eine Erweiterung um Mönche in einer roten Robe, die nach jedem Mord von Noble an einem Anführer einen Zahn des Gemeuchelten einsammeln. Es gibt mehr Szenen mit den Kopfgeldjägern, viel mehr Szenen mit Jimmy, dem Roboter und es gibt ein ganz neues Ende. Außerdem wird mehr geflucht.

Der Director’s Cut ist allein aufgrund der Actionszenen die bessere Wahl, inhaltlich franzt das Ganze aber nun endgültig aus. Letztendlich geht’s ja doch nur drum, dass die einen den anderen auf die Omme hauen, da sollte man den Ball etwas flacher halten. Aber okay, so sind sie halt, die 11-jährigen, wenn sie niemand bremst.

Rebel Moon (1: Kelch des Blutes, 2: Fluch der Vergebung) • USA 2023/2024) • Regie: Zack Snyder • Darsteller: Sofia Boutella, Charlie Hunnam, Djimon Hounsou, Jena Marlone, Ray Fisher, Corey Stoll, Ed Skrein, Fra Fee, Cleopatra Coleman • beide Teile sind ab sofort auf Netflix abrufbar

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