Sinnsuche und Schnitzeljagd
Marshall tanzt mit Bigfoot: Die neue Serie „Dispatches from Elsewhere“ auf Amazon
Zwischen 2005 und 2014 spielte Jason Segel den sympathischen Marshall Eriksen in der Sitcom „How I Met Your Mother“, die zumindest in den ersten Staffeln echtes TV-Seriengold war. Außerdem sah man Segel in Filmkomödien wie „Nie wieder Sex mit der Ex“, „Sex Tape“ und „The Muppets“, ehe er zuletzt Autor David Foster Wallace in „The End of the Tour“ verkörperte. Nun ist Segel wieder beim Serienfernsehen gelandet, und zwar mit der von ihm ersonnenen Show „Dispatches from Elsewhere“, die seit dem 8. Mai Teil von Amazons Prime-Angebot ist und die Segel als Erfinder, Hauptdarsteller, Produzent und sogar Regisseur lenkt.
In „Dispatches from Elsewhere“, im amerikanischen Original übrigens eine Serie des Senders AMC, führt Datenspezialist Peter (Segel) ein dröges, überraschungsfreies Leben, durch das er jeden Tag trottet, aber nie auch nur ein einziges Mal tanzt. Bis er auf seinem Weg zur Arbeit seltsame Botschaften von Anderswo in Form von selbstgemachten Plakaten an Laternenmasten und Straßenschildern bemerkt, die irgendetwas in seinem Unterbewusstsein triggern. Er folgt den Plakaten und Zetteln bis zu ihrer Quelle und ist plötzlich Teil von Etwas, das alles mögliche sein kann: ein realer Krieg zweier Geheimgesellschaften, ein schräges Regierungsexperiment, eine irre Verschwörung oder ein verrücktes Spiel.
Um weiter zu kommen und mehr zu erfahren, muss Peter mitten auf der Straße mit Bigfoot tanzen und sich mit wildfremden Menschen als Team zusammenraufen: der unsicheren Transfrau Simone (Eve Lindley), dem schwierigen Genie Fredwynn (Andre Benjamin) und der höflichen älteren Dame Janice (Sally Field). Mehr oder weniger gemeinsam folgen sie den seltsamen Hinweisen und verstörenden Brotkrumen, die anscheinend damit zu tun haben, dass in Philadelphia eine junge Frau verschwunden ist, wohinter der Konflikt zweier Gruppierungen steht. Zwischendurch kommentiert Octavio Coleman (Richard E. Grant), Leiter des Jejune-Institus und einer der beiden involvierten Gesellschaften, das Geschehen in ausgeprägter Meta-Manier und spricht den Zuschauer direkt an …
Wirklich schlau wird man aus der ersten halben Stunde trotzdem nicht. Doch dann entfaltet „Dispatches from Elsewhere“ nach und nach seinen Charme und seinen Zauber, mit einer stets ansprechenden Inszenierung der Schnitzeljagd und Sinnsuche im Format einer Anthologie-Serie, deren Schwerpunkte und Perspektiven von Folge zu Folge wechseln und zu deren Repertoire sogar Trickfilm-Sequenzen gehören. Worum es jetzt bei all dem wirklich geht? Nun, das zu durchschauen ist Teil des Reizes. So viel sei gesagt: Jason Segels ambitioniertes, nicht den Mainstream-Gewohnheiten entsprechendes Serienprojekt wurde von „Jejune Institute“ inspiriert, einem Alternate Reality Game, das vor einigen Jahren in San Francisco veranstaltet und 2013 im Dokumentarfilm „The Institute“ verarbeitet wurde.
„Dispatches from Elsewhere“ ist wahrlich keine Instant-Lieblingsserie, die sofort süchtig macht oder auf simple Weise unterhält und leicht bespaßt. Das war allerdings auch nicht die Intention von Jason Segel und seinem Team. Ihnen geht es um eine eigene Art von Spannung, das Spiel mit dem Durchhaltevermögen des Publikums, Charisma und intensive Charaktermomente, Zauber und Wunder, während zugleich unsere Fernseh- und Lebensgewohnheiten mit einer Prise Meta-Magie bewusst angesprochen werden. Das muss man nicht mögen, darauf muss man nicht anspringen – doch wenn man es tut und gerade in der Stimmung für so eine Show ist, bietet „Dispatches from Elsewhere“ ein interessant andersartiges Serienvergnügen mit wirklich tollen Figuren.
Außerdem gönnt man es Marshall, dass er endlich Bigfoot getroffen hat – und sogar mit ihm tanzen durfte.
Abbildungen: © AMC/Amazon
Dispatches from Elsewhere – Staffel 1 • (USA/2020) • Regie: Jason Segel, Wendey Stanzler u. a. • Drehbuch: Jason Segel, Eva Anderson u. a. • Darsteller: Jason Segel, Eve Lindley, Sally Field, Andre Benjamin, Richard E. Grant • Laufzeit: 10 Episoden mit je ca. 45 Min.
Kommentare