21. April 2021 2 Likes

„Sisyphus“- Asiatische Dystopie

Eine epische Serie aus Korea

Lesezeit: 3 min.

Eins der schönsten Merkmale des globalen Streaming-Booms ist, dass man auch Filme oder Serien aus Ländern in der Timeline vorgeschlagen bekommt, die man ansonsten wohl übersehen hätte. So ein Fall ist die südkoreanische Serie „Sisyphus - The Myth“, die seit ein paar Tagen bei Netflix zu streamen ist, und sich dementsprechend mit der globalen Konkurrenz messen muss. Geradezu im Wochentakt erscheinen bei Netflix (von den anderen Streamern ganz zu schweigen) Serien, die irgendwie dystopisch oder futuristisch sind, meist aber schon in der ersten oder zweiten Folge überdeutlich zu erkennen geben, worum es hier geht, wohin das Ganze führen wird. Das Publikum ist eben nicht mehr so unwissend und leicht zu überraschen wie noch vor zehn, oder auch nur fünf Jahren.

Doch dann kommt da so etwas wie „Sisyphus“, eine Serie, die allein schon ob ihrer Länge ungewöhnlich ist: Nicht sechs oder acht Folgen kurz ist sie, also abzüglich der Redundanzen kaum länger als ein normaler Spielfilm, sondern für heutige Verhältnisse sagenhaften 16 Folgen. Die zudem noch jeweils circa 70 Minuten lang sind, was sich zu einer Spiellänge von gut 18 Stunden addiert. Und das schöne an „Sisyphus“ ist dann auch, dass man nach zwei, drei Folgen noch so gar keine Ahnung hat, worauf das Ganze hinausläuft.

Zwei Figuren bekommt man in den ersten Folgen vorgestellt, Gang Seo-hae (Park Shin-hye), die von ihrem Vater (?) auf eine Reise in die Vergangenheit (?) geschickt wird, als einziges Gepäck trägt sie einen Koffer bei sich. Und Han Tae-sul (Cho Seung-woo), ein Tech-Milliardär, der die Gegenwart (?) beherrscht, aber mit dem Tod des Bruders hadert und plötzlich mit einem Koffer konfrontiert wird, der nach einem Flugzeugabsturz in einem Feld liegt. Hans Firma heißt Quantum & Time, was dann doch einige Hinweise darauf gibt, in welche Richtung sich die Serie entwickeln wird.

Vermutlich, denn ein straffes Erzähltempo und dementsprechend schnell etablierte Konflikte, Ziele oder Antagonisten, darf man hier nicht erwarten. Allein ein knapp verhinderter Flugzeugabsturz in der zweiten Folge, während dem sich Han als zwar schwerreicher, aber doch mitfühlender Milliardär etablieren darf, nimmt gut 30 Minuten in Anspruch. Und ähnlich langsam entwickelt sich auch der Rest der Reihe. Figuren werden nicht eingeführt, um fünf Minuten später auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden, stattdessen dauert es sehr lange, bis die zentralen Themen definiert sind.

Um die Frage, wer die Zukunft beherrscht geht es hier, um Technologien und die Gefahr, dass sie missbraucht werden. Klassische Themen einer dystopischen Tech-Serie also, die im Fall von „Sisyphus“ jedoch so unterschwellig behandelt werden, dass sie frisch und ungewöhnlich wirken. Neue US-Serien gibt es auf den Streamern wie Sand am Meer, neue, vor allem sehenswerte Serien aus anderen Ländern dagegen nicht so oft: Die koreanische Serie „Sisyphus“ ist gerade wegen ihres langsamen Erzähltempos einen Versuch wert, nicht zuletzt, weil sie ein im Ansatz bekannt wirkendes Thema schon in den ersten Folgen auf so ungewöhnliche, überraschende Weise angeht.

Sisyphus • Südkorea 2021 • Regie: Jin Hyuk • Darsteller: Cho Seung-woo, Park Shin-Hye, In-ho Tae • 16 Folgen, jetzt bei Netflix

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.