30. Januar 2022 2 Likes

„Station Eleven“ – Leben nach der Pandemie

Eine Miniserie erzählt von der Notwendigkeit der Kunst

Lesezeit: 3 min.

Vielleicht muss man ein bisschen masochistisch sein, um mitten während einer nicht enden wollenden Pandemie eine Mini-Serie über eine Pandemie und ihre Folgen anzuschauen. Vielleicht ist eine Serie wie „Station Eleven“ aber auch genau das Richtige. Nicht nur um sich einmal mehr vor Augen zu halten, dass es noch viel schlimmer kommen könnte als Covid, sondern vor allem um zu sehen, dass es immer weiter geht, nicht zuletzt, aber auch dank der Kunst.

2014 veröffentlichte Emily St. John Mandel ihren Roman „Station Eleven“, der vom letzten Ausbruch der Schweinegrippe inspiriert war, die 2009/2010 nur wenig Schäden anrichtete. So ähnlich wie es dann Steven Soderbergh in seinem Pandemie-Thriller „Contagion“ tat, spannte Mandel den Bogen weiter und malte sich aus, was passieren würde, wenn eine Pandemie richtig wüten würde. Satte 99% der Menschheit sind in ihrer Geschichte an einer neuen Form der Schweinegrippe verstorben, dagegen wirkt Corona tatsächlich wie ein Schnupfen.

20 Jahre nach Ausbruch der Seuche hat sich die Lage beruhigt, die wenigen Überlebenden haben sich aufs Land zurückgezogen, leben in behelfsmäßigen Unterkünften und haben tatsächlich eine Sache nicht aufgegeben: Theater zu spielen. Eine Gruppe von Schauspielern und Musikern zieht als Travelling Symphony um die Region der großen Seen im Nordosten der USA und spielt vor allem Shakespeare. Unter ihnen ist Kirsten (Mackenzie Davis), die inzwischen eine erwachsene Frau ist. Als sie noch ein Kind war (gespielt von Matilda Lawler) stand sie in Chicago auf der Bühne, als das Grauen begann: Der Starschauspieler Arthur (Gael Garcia Bernal) spielte gerade den Lear, als er zusammenbrach. Im Chaos ging Kirsten fast verloren, wurde von Jeevan (Himesh Patel) gerettet, der dank einer Schwester, die im Gesundheitswesen arbeitete, früh von der drohenden Gefahr informiert wurde. Überlebt hat Jeevan offenbar nicht, spätere Folgen werden sein Schicksal vermutlich beleuchten, denn die von Patrick Somerville erdachte Serie hat sich ganz der komplizierten Struktur der Romanvorlage verschrieben und springt in den Zeiten hin und her.

Lücken werden so nach und nach gefüllt, Hintergründe verdeutlicht, neue Figuren eingeführt, wie die verhinderte Künstlerin Miranda (Danielle Deadwyler), die einst mit Arthur liiert war, lange Jahre in einem Brotjob arbeitete und schließlich doch noch ihre Berufung fand. Eine Graphic Novel namens „Station Eleven“ hat sie gezeichnet, die Kirsten bis in die Gegenwart, 20 Jahre nach Ausbruch der Pandemiem, mit sich trägt. Es ist die Geschichte eines Astronauten, der ein Unglück überlebte und die Erde von oben betrachtet. Immer wieder sieht man im Verlauf der Serie diesen Astronauten, der für viele Figuren ein Symbol der Hoffnung ist, vielleicht auch ein höheres Wesen, an das man sich in Zeiten der Not wenden kann.

[bookpreview] 978-3-453-32170-0

Und das ist das Schöne, das Inspirierende an einer Serie, die schon länger in Planung war, die dann von der Covid-Pandemie eingeholt wurde und nun auf fast unheimliche Weise zeitgemäß wirkt: Es ist keine weitere Darstellung einer postapokalyptischen Welt, in der es nur ums Überleben geht, in der brutale Kämpfe um Nahrung wüten, sondern ein von Hoffnung geprägter Blick. Was den Menschen dabei Kraft gibt ist die Kunst, sind Variationen der Geschichten und Mythen, die auf die ein oder andere Weise seit Jahrhunderten erzählt werden, in Form von Shakespeare-Stücken, einem Comic oder eben einer Fernsehserie.

Station Eleven • USA 2021 • Creator: Patrick Somerville • Darsteller: Mackenzie Davis, Gael Garcia Bernal, Himesh Patel, Matilda Lawler • zehn Folgen, ab 30. Januar bei Starzplay

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.