21. Februar 2021

„Tribes of Europa“ - Gescheiterte Dystopie

Die neue Serie der „Dark“-Produzenten ist vor allem langweilig

Lesezeit: 3 min.

Vielleicht ist es langsam mal gut mit Dystopien, mit postapokalyptischen Phantasien, mit Welten, die kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Fast im Wochentakt haut einer der Streamer eine Serie oder einen Film raus, in der die Welt, wie wir sie kennen, aus irgendeinem Grund untergegangen ist und durch die ein oder andere Form der Anarchie ersetzt wurde. Diese Woche heißt die Serie „Tribes of Europa“ stammt aus der Feder von Philip Koch, der vor inzwischen auch schon einem Jahrzehnt mit dem harten Gefängnisdrama „Picco“ viel Aufmerksamkeit erhielt, und wurde produziert von Wiedemann & Berg, der Firma, der wir den deutschen Netflix-Hit „Dark“ verdanken.

Ohne diesen Erfolg dürfte „Tribes of Europa“ nicht möglich gewesen sein, hätte Netflix nicht soviel Geld in eine deutsche Serie gesteckt, Geld, das allerdings vor allem in Ausstattung und Kostüme gesteckt wurde, weniger leider in Drehbuch und Darsteller.

2074 spielt die Serie, 45 Jahre nach einer Katastrophe, die nur als Schwarzer Dezember bekannt ist, die einen Stromausfall verursachte, dem Jahrzehnte des Chaos und der Anarchie folgten. Länder und Zivilisationen wurden zerstört, die überlebenden Menschen bildeten neue Stämme, manche im Wald, andere in Ruinen, manche friedlich, andere weniger. Einer dieser Stämme nennt sich Origines, ihm gehören die drei jungen Hauptfiguren an: Liv (Henriette Confurius), Kiano (Emilio Sakraya) und Elja (David Ali Rashed), die bald aufgesplittet werden. Ein seltsames Flugobjekt ist nahe ihrer Hüttensiedlung abgestürzt, der Pilot übergab Elja einen schwarzen Quader, den dieser zur Arche, der Basis der Atlantier bringen soll. Dabei hilft ihm ein Mann namens Moses (gespielt von „Dark“-Alumni Oliver Masucci), die beiden anderen Geschwister sind dagegen Gefangene der finsteren Crows, bzw. versuchen sich in der Militärdiktatur eines anderen Stammes zurechtzufinden.

Wenig überraschenderweise finden dort Gladiatorenkämpfe a la „Mad Max - Jenseits der Donnerkuppel“ statt, wie ohnehin kaum etwas an der ersten, nur sechs Folgen kurzen Staffel von Tribes of Europe“ überrascht. Ein bisschen „The Road“, etwas „Tribute von Panem“, ganz viel „Mad Max“, selbst für Zitate wie „Wenn du leben willst, komm mit ihr“ ist man sich nicht zu Schade, was verzeihlich wäre, wenn die bekannten Versatzstücke zu spannender Unterhaltung zusammengesetzt wären. Doch wie so oft in der modernen Serienwelt, mutet „Tribes of Europa“ wie ein zu lang geratener Spielfilm an, erzählt in sechs Folgen von zusammen kaum 240 Minuten weniger, als früher Spielfilme in 100 Minuten zeigten. Das ist mehr als dünn, sieht zwar gut aus, verfallen, archaisch, doch das trägt nicht wirklich. Viel zu wenige Ideen hat Philip Koch, allzu wirr wirken die Ansätze, die Welt, um die es hier gehen soll. „Es gab eine Zeit, da konnte man die Länder Europas an zwei Händen abzählen, die in Frieden lebten“, heißt es an einer Stelle und man fragt sich: Wann soll das gewesen sein? Als Großmächte wie Preußen oder Russland existierten? Der Blick auf Europa, seine Konflikte, seine Unterschiede, vor allem aber auf das Versprechen, das mit seiner Einheit verbunden ist, bleibt zumindest in dieser ersten Staffel allzu unbestimmt. Mehr als Versatzstücke hat „Tribes of Europa“ noch nicht zu bieten, nach sechs Folgen endet die Serie recht abrupt mittendrin mit vielem offenen Fragen. Ob es sich allerdings lohnt auf die Antworten zu warten?

Tribes of Europa • D 2021 • Creator: Philip Koch • Darsteller: Henriette Confurius, Emilio Sakraya, David Ali Rashed, Oliver Masucci, Melika Foroutan • sechs Folgen, Netflix

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